travelog 93






Camping mit Mäge



Es ist wieder einmal soweit. Mäge, unsere Schweizer Freundin, hat ihren traditionellen alle zwei Jahre stattfindenden Besuch angekündigt. Und da sie letzthin so begeistert von unserem Bericht über die tiefen Schluchten und hohen Berge zwischen Guanajuato, Queretaro und Hidalgo gewesen ist, will sie unbedingt auch mal in diese Gegend. Sie ist sogar bereit etwas zu leiden, sprich, in einem Zelt zu übernachten, wenn man so noch viel näher an den berühmten Busen der Natur herankommt.



Ueber San Luis de la Paz, Guanajuato, führt uns unsere Tour nach Osten, oft auf Wegen, die wir vor vielen Jahren schon einmal gefahren sind. Hinter San Luis wird es bergig. Bald erreichen wir unsere Querspange generelle Richtung Rio Verde. Wir fotografieren Sedum pacense und S. glassii, bis uns die Batterie an der Kamera ausgeht. Kein Problem, wir haben ja die Ersatzakkus dabei. Nach der Durchsuchung des Autos stellt sich aber heraus, dass die Akkus wahrscheinlich daheim zum Einpacken bereitliegen. Beim nächsten Rancho stoppen wir und kaufen ein paar "refrescos". Der jungen Frau erzähle ich, dass ich die Akkus vergessen hätte und mein Mann nun stinkesauer sei und sie mir helfen könne, alles wieder ins Lot zu bringen. Kein Problem, wir können das Ladegerät bei ihr im Laden einstecken und beobachten für die nächsten 20 Minuten das stressige Landleben. Zwei Männer sitzen auf einer zur Sitzbank umfunktionierten Stossstange eines alten vergammelten Karren im Schatten und diskutieren über Gott und die Welt. Drei Hunde verschlafen den heissen Nachmittag im Schatten des selbigen Autos. Die Luft steht still, ein paar Insekten summen und die wilden Tauben gurren. Die einzigen arbeitenden Menschen hier sind die Frauen, die den Boden wischen und feucht aufnehmen, Tortillas machen, den Laden betreuen und auf die Kinder aufpassen. Mit vollem Akku verlassen wir den kleinen Ort und fahren weiter den Berg hinunter in heissere Gegenden. Die Vegetation wechselt von Nadelbäumen und Eichenwäldern zu niedrigen Büschen, Burseras, Kakteen und Agave xylonacantha. Myrtillocactus geometrizans, Stenocereus queretaroensis und Isolatocereus dumortieri sind die dominierenden Säulenkakteen. Astrophytum ornatum, Coryphantha erecta, Mammillaria albata, Echinocereus pentalophus und Ferocactus echidne verstecken sich zwischen den spitzen Kalkfelsen unter Büschen und Fouquieria splendens. Bald erreichen wir den Fluss nahe El Capulin. Hier unten gibt es viele Minen, die meisten davon verlassen. Bei Alamos de Martinez kommen wir durch einen wunderschönen Wald mit rotstämmigen Bursera morelensis. Echinocereus pentalophus mit einer vereinzelt offenen hellvioletten Blüte und gelb blühende Astrophytum ornatum bevölkern die grauen Kalksteine. Die Piste wurde seit unserem letzten Besuch 2002 wesentlich verbessert, jedenfalls auf der San Luis Potosi Seite. Nach der Brücke bei Puertecito geht es wieder den Berg hinauf. In der Ferne sehen wir schon die Klippen beim Microondas Alameda wo wir campieren wollen.



Unser Campingplatz von 2002 sieht noch genauso aus wie wir uns erinnern können. Unser Auto ist schnell zum Matratzenlager umgebaut. Wir helfen Mäge etwas mit ihrem Zelt und der Luftmatratze und können uns bald bei einer improvisierten "Michelada", Bier mit Limonade, Limesaft und Eiswürfeln, von den Strapazen des Campinglebens erholen. Von hier oben haben wir eine gigantische Sicht zurück über am Horizont auslaufende blaue Bergketten, über die wir heute hierhergefahren sind. Grillen zirpen und je dunkler es wird, desto weniger belästigen uns die beissenden Insekten. Wie üblich besteht unser Nachtessen aus gut gereiftem Käse, Crackern und Früchten.



Am nächsten Morgen entzündet Martin ein kleines Feuer, um Wasser für Kaffee zu kochen. Eine Mango und ein Müsliriegel reichen als Frühstück. Nun marschieren wir los Richtung Felsklippen. Auf einem kleinen Pfad erreichen wir einen blaugrünen Tümpel. Die Eichenbäume sind mit spanischem Moos, Tillandsia usneoides, und kleinen Orchideen bewachsen. Die Stimmung zwischen den grauen Tillandsia-Bärten im Eichenwald ist in den frühen Morgenstunden und der frischen Luft märchenhaft. Oberhalb des Tümpels hängen auch schon die ersten Exemplare von Pachyphytum kimnachii in den Felsen. Wir klettern höher und stolpern über ein paar einsame Echeveria bifida. In den sonnigeren Felsen hängt Pachyphytum kimnachii zu Tausenden. Alle Pflanzen stehen in voller Blüte. Ein wunderbarer Anblick!



Hinter dem Microondas Alameda geht es wieder den Berg hinunter. Wir kommen an einem blauen Schild mit einem stilisierten Handy vorbei. Unglaublich aber wahr, hier oben wird uns angekündigt, dass wir telefonieren könnten, wären wir denn im Besitz eines Handys. Im lichten Wald ziehen die leuchtend violetten Blüten von Echinocereus pentalophus unsere Aufmerksamkeit auf sich. Kaum ist man ausgestiegen und klettert etwas auf den Kalkfelsen herum, stösst man auf immer weitere blühende Polster. Eine kurzstämmige Palme fühlt sich hier auch zuhause. Weiter unten stoppen wir für Sedum corynephyllum in dicht bewachsenen Felsen. Hier blüht auch Cyrtopodium punctatum, eine Bodenorchidee typisch für diesen blattwerfenden Wald.



In San Ciro de Acosta belegen wir im einzigen Hotel am Platz zwei Zimmer. Es ist heiss, das Leben steht am Nachmittag still im kleinen Städtchen. Im Schatten riesiger Jacarandabäume erfrischen wir uns auf dem Hauptplatz mit einem "agua fresca". Die spätere Suche nach einem Restaurant oder Tacostand verläuft erfolglos. Es ist Karfreitag während der Fastenzeit, die hier zwar nicht so rigoros eingehalten wird wie in Jalisco, denn wir sahen gegrilltes Huhn als wir ins Dorf einfuhren und man kann durchaus Chorizo und Fleisch erstehen, doch heute Abend ist hier tote Hose. Als ich mich in einem kleinen Geschäft nach einem Restaurant erkundige, führt uns die junge Frau über viele Ecken zum Haus ihrer Schwester. Ohne ihre Führung hätten wir diesen Ort nie gefunden! Das Restaurant ist zwar geschlossen, doch sie weiss genau wo sie ihre Schwester finden kann. Und es dauert nicht lange bis alle zusammen in einem Auto wieder aufkreuzen. Schnell ist der Laden geöffnet, der Ventilator und Fernseher aufgedreht, und wir erfrischen uns mit einem kalten Bier, serviert vom netten Mann der Köchin. Das Essen ist mexikanisch-amerikanisch angehaucht, doch auf Anfrage bekommen wir schnell noch eine hausgemachte scharfe Salsa aufgetischt.



Von San Ciro fahren wir bis nach Conca. In der Sierra Gorda, den dicken Bergen, gibt es fünf Franziskanermissionskirchen, die von der UNESCO 2003 zum Weltkulturerbe ernannt wurden. Eine davon steht in Conca. Berühmt sind die Kirchen unter anderem für ihre farbenfrohen Fassaden, wofür Conca ein gutes Beispiel ist. Nach der Besichtigung setzen wir uns in ein kleines Restaurant, das neu in der Nähe des Kirchenvorplatzes eröffnet wurde. Wir sind bekannt für unsere endlose Geduld, doch der Service hier bringt sogar die normalerweise noch geduldigeren Mexikaner auf die Palme. Dafür sind die Tortillas von Hand gemacht und das Rührei schmeckt ausgezeichnet. Gut gestärkt machen wir uns auf den Weg in die Berge.



Hinter Conca klettert die Piste steil in die Sierra Gorda hinauf. Hinter La Florida stoppen wir für Echeveria rosea, die meist epiphytisch auf Eichenbäumen gedeiht. Mammillaria hahniana schmückt sich mit rosaroten Blüten. Fast verpassen wir im Pistengewirr die Abzweigung nach Alpujarras. Eine Gruppe Männer erklärt uns umständlich den Weg. Hilfreich ist, dass man von unserem Standpunkt aus alle Pisten auf den verschiedenen Bergketten gut sehen kann. Zum Abschied wünschen sie uns viel Glück. Auf einer schmalen Piste erreichen wir Alpujarra und fahren einfach der Nase nach Richtung Puerto de Buenavista. Hier kommt der Part, für den uns die Männer offensichtlicherweise Glück gewünscht haben. Die Piste wird immer schmaler und führt halb in einem Bach, halb durch frisch angepflanzte Felder. Eine Furt ist ausgewaschen und nur mit grosser Bodenfreiheit zu überwinden. Dann stehen wir zusammen mit einem verängstigten Esel vor einem Tor. Beidseits erhebt sich eine Steinmauer. Der Esel ist nicht nur stur, sondern macht sich vor Angst wahrscheinlich auch fast in die (nicht vorhandene) Hose. Zwischen dem Auto und der Mauer ist fast kein Platz für den armen Esel und er weiss sichtlich nicht, was er am besten tun soll. Mit einem Stock und unter gutem Zureden zwängt sich das Tier dann nach geraumer Weile endlich zwischen Auto und Mauer hindurch. Schnell öffnen wir das Tor, fahren durch, halten den Esel gleichzeitig in Schach und schliessen das Gatter schnell wieder zu. Nun fehlt nur noch der Aufstieg nach Buenavista, der es auch in sich hat. Vielleicht hätten wir doch besser den etwas längeren Weg aussen herum genommen. Von Buenavista geht es wieder steil in einem Tal den Berg hinunter. Die starken Regenfälle im Februar haben die ehemalige Piste durch ein kleines Flusstal unpassierbar gemacht. Die mexikanische Lösung, um das beliebte Oster-Ausflugsziel El Platanal am Rio Santa Maria für das Publikum zu öffnen, bekommen wir bald zu Gesicht. Mit brutaler Maschinengewalt wurde auf die Schnelle eine Schneise in den Berg gekratzt, die die kommende Regenzeit im Sommer bestimmt nicht überleben wird. Ohne Rücksicht auf Verluste wurde alles platt gewalzt, was eben im Wege stand, obwohl dieses Gebiet Teil der grössten Biosphäre Mexikos und strengstens geschützt ist. Aber das scheint die Einheimischen nicht zu kratzen. Wir versinken in metertiefem, superfeinem Staub auf dem holprigen Weg in die Tiefe. Der Rio Santa Maria lockt mit seiner hellblauen Farbe am Talboden. Als wir es endlich geschafft haben, sind wir am Ostersamstag natürlich nicht die einzigen Besucher. Laute Musik wummert aus verschiedenen Autoradios. Die meisten der jungen Männer sind schon reichlich betrunken. Alle starren uns an wie wenn wir vom Mond kommen würden. Wir packen unsere Badesachen und verziehen uns hinter die nächste Flussbiegung, um etwas mehr Privatsphäre und Ruhe zu haben. Das Bad im klaren hellblauen Fluss ist herrlich erfrischend. Perfekt runde Flusssteine in allen Pastellfarben reizen zum sammeln. Gegen Abend fahren die meisten Besucher wieder in ihre Ranchos zurück und es bleiben nur noch 6 Autos hier unten. Nur einer davon dreht sein Radio so stark auf, dass man kaum mehr das beruhigende Rauschen des Flusses, den Wind in den Bäumen, den Vogelgesang und das Grillengezirpe hören kann. Martin diskutiert etwas mit den Leuten, die sich zusammengeschlossen haben, um hier unten ein kleines Restaurant zu betreiben, Campingausrüstung zu vermieten, Abfall zusammenzusammeln und generell nach dem Rechten zu schauen. Sie versichern ihm, dass dies hier alles Oekotourismus sei, aber dass es eben immer welche gäbe, die ohne ihre auf volle Lautstärke aufgedrehte Musik das Wochenende nicht geniessen könnten. Nachdem sie dem jungen Mann etwas ins Gewissen reden, wird es für kurze Zeit besser, doch bald schon sind wir zurück bei der alten Lautstärke. Wir fliehen mit dem Auto ans andere Ende des Parkplatzes und tragen Mäge's Zelt hinterher. Nun übertönt das Rauschen des Flusses alle anderen Geräusche.



Morgens bekommen wir in der kleinen Hütte, die als Restaurant dient, einen heissen Kaffee serviert. Die Piste ist über Nacht nicht besser geworden, doch immerhin haben wir keinen Gegenverkehr. In Puerto de Buenavista geht es dann nach Süden. Wieder verfahren wir uns etwas im Pistengewirr, doch schliesslich finden wir auf die richtige Strecke über Palomas nach Xichu. Hinter Palomas geht es in langen Kurven steil den Berg hinunter bis an den Fluss. Kurz vor Xichu besuchen wir den kleinen Canyon, wo wir früher schon Echeveria xichuensis und Turbinicarpus alonsoi gefunden hatten. Eine einsame dunkelviolette Blüte eines Turbinicarpus leuchtet in den bröckligen Wänden. Nach Xichu ist es nun nicht mehr weit. Das Städtchen wirkt am Nachmittag des Ostersonntag komplett verlassen. Die wenigen Hotels sind geschlossen oder offerieren dreckige Zimmer. Schliesslich kommen wir am besten Ort am Platz unter, nachdem wir die Besitzerin in einem Laden aufgespürt haben. Zwar gibt es nur eine Dusche und Toilette auf dem Flur, doch da wir die einzigen Gäste sind, ist das kein Problem. Im Restaurant am Hauptplatz läuft Fussball. Wir schlagen uns den Magen voll und beschliessen den Tag im Hotelinnenhof mit einem kleinen Tequila.



Von Xichu geht es wieder zurück durch das enge Tal des Rio Xichu. Im Tal hat die Piste kaum Platz zwischen dem Fluss und den senkrechten Felswänden, die sich links und rechts erheben. Diesmal fahren wir weiter nach Guamuchil und dann wieder in die Berge hinauf. Auf halber Höhe stoppen wir für Mammillaria marcosii und Beaucarnea compacta. Später fallen Echeveria bifida und E. coccinea ihrer roten Blüten wegen am Wegesrand auf. Ueber Romerillos und Rucio fahren wir Richtung Atarjea. Es geht auf und ab und immer begleitet uns eine gigantische Sicht über die unendlichen Bergketten der Sierra Gorda. Benzin und Diesel gibt es hier oben nur noch aus Kanistern zu kaufen. Vor Mangas Cuatas nehmen wir die Abkürzung im Flussbett. Wieder geht es steil auf einen Pass hinauf und hinten nach Rio Blanco hinunter. Wir besuchen unseren Standort von Pachyphytum garciae, das hier mit einer ganzen Menge anderer Crassulaceen in den senkrechten Felsen gedeiht. Wie nicht anders zu erwarten geht es hinter Rio Blanco wieder steil auf die nächse Passhöhe hinauf, bis wir endlich müde und staubig in Camargo die Teerstrasse erreichen. Wir fahren noch bis Pinal de Amoles, einem pittoresken Städtchen mit roten Blechdächern. In der Nähe des Hauptplatzes finden wir ein nettes Hotel, wo die Zimmer knarrende Holzböden haben und kleine Balkone die Gassen überblicken. Beim Eindunkeln machen wir noch einen kleinen Rundgang durch die engen Gassen und beschliessen nachher den Tag mit einem wohlverdienten deftigen Nachtessen im Restaurant des Hotels.



Von Pinal de Amoles, das am frühen Morgen auch entlang der Hauptstrasse nichts mehr als frisch gepressten Orangensaft und fettige "carnitas" bietet, fahren wir wieder zurück auf die Passhöhe "Puerta del Cielo", der mit 2400m höchsten Passstrasse Queretaros. Entlang der Strasse gibt es einige kleine Stände, die Steine aus den lokalen Minen anbieten. An der Verzweigung nach Bucareli bekommen wir dann endlich unser Frühstück. Die "patrona" wird von drei jungen Mädchen assistiert, und was sie von ihrem Holzofen unter freiem Himmel zaubern, das schmeckt ausgezeichnet. Auf einer Piste geht es nun zur Abwechslung wieder einmal steil den Berg hinunter nach Bucareli. In einer Kurven klettern wir zu einer interessanten Felswand, wo wir tatsächlich blühendes Pachyphytum glutinicaule antreffen, was wahrscheinlich das nördlichste Vorkommensgebiet für diese Spezies darstellt. Weiter unten fahren wir an blühenden Strombocactus disciformis vorbei. Die Piste schlängelt sich nun entlang eines Baches durch kleine grüne Felder und kleine Fruchtplantagen. Bald erreichen wir Bucareli mit seiner unvollendeten Missionskirche. Die massive Kirche besteht nur aus hohen und dicken Mauern, das Dach fehlt komplett. Inmitten einer gigantischen, zerklüfteten und extrem unwirtlichen Berglandschaft begannen die Fraziskaner um 1790 mit dem Bau dieser Kirche. An einem heissen Morgen Anfang Mai ist die Stille an diesem Ort unglaublich und das Panorama nimmt einem vor lauter Schönheit fast den Atem.



Bei Bucareli beginnt die Piste nach San Joaquin. Ueberall leuchten die gelben Blüten von Astrophytum ornatum an den steilen Hängen. Unter uns mäandert der Rio Estorax durch die gigantische Bergwelt. Wir werfen einen letzten Blick zurück auf die imposante Missionskirche von Bucareli, furten den Fluss und kommen auf der anderen Seite in einen ganz engen Canyon. Unglaublicherweise führt die Piste genau in diesem kleinen Canyon den Berg hinauf. Ab und zu entdecken wir kleine Gruppen von Yucca queretaroensis. Wir gewinnen schnell an Höhe und erreichen schon bald wieder kühlere Nadelwälder mit blühendem Sedum humifusum und einer Beschorneria Spezies. Nachdem wir lockere 1000m den Berg hochgeklettert sind, besiedelt Echeveria rosea die moosigen Baumstämme. Eine Gruppe von ATV Fahrern kommt uns entgegen. Es muss ein spezielles Vergnügen sein, in der frischen Bergluft im Konvoi den Staub des vorherigen Fahrzeuges einzuatmen. Bald fängt es auch noch an leise zu regnen und wir malen uns aus, wie die Gruppe unten am Rio Estorax ihre Zelte aufbaut und eine ungemütliche Nacht verbringt. Verkauft wurde ihnen das ganze als Oekoturismos und grosses Abenteuer. Gegen Abend erreichen wir San Joaquin, wo es immer noch leise tröpfelt. Ein Hotel haben wir schnell gefunden und gleich nebenan gibt es ein kleines Restaurant, wo wie üblich auf einem riesigen TV Fussball läuft.



Der Regen hat allen Staub aus der Luft gewaschen und wir erwachen zu einem wunderbar klaren, blauen Himmel. Der Busbahnhof ist der einzige Ort, der zu so früher Stunde schon heissen Kaffee serviert. Die Mädchen hinter der Ofen können es kaum glauben, dass sich Martin, als Mann wohlgemerkt, uns beiden sitzenden und quasselnden Frauen den Kaffee serviert. Eigentlich gehörte es sich in Mexico ja nur umgekehrt. Auf einer guten Teerstrasse fahren wir wieder einmal mehr als 1300 Meter in die tiefe Schlucht des Rio Moctezuma hinab. Die Strasse ist nur geteert, weil die CFE, die mexikanische Stromgesellschaft, den Rio Moctezuma gedämmt hat und hier unten grosse Turbinen unterhält. Bei Las Adjuntas erreichen wir die Piste, die durch die Barranca de Toliman nach Zimapan führt. Auch diese Strecke ist nur während weniger Monate in der Trockenzeit befahrbar, denn sie führt durch eine extrem enge Schlucht, wo der Fluss die Strasse darstellt. Die geneigte Leserschaft kann sich vielleicht an frühere Reiseberichte erinnern, in denen wir die Barranca de Toliman beschrieben haben. Anfangs ist die Schlucht relativ breit, doch bald rücken die Felsen immer näher zusammen. Eine wunderbare Kakteenvegetation umgibt uns. Wir sind natürlich besonders von all den in voller Blüte stehenden Echeveria tolimanensis angetan. Unter schattigen Guamuchil-Bäumen nehmen wir unser Picknick ein und geniessen die herrliche Umgebung, die wir ganz für uns alleine haben. Bald erreichen wir die beiden Stellen, wo man aus dem Auto heraus mit den Händen auf beiden Seiten die Felsen berühren kann. Es ist unmöglich, trockenen Fusses durch diese Engen zu kommen, um Fotos vom Auto zu machen. Weiter oben treffen wir auf eine grosse Maschine und einige Arbeiter, die das Flussbett völlig platt walzen, es sieht fast so aus als wollten sie hier unten eine Autobahn schieben. Natürlich wird all ihre Arbeit bei den nächsten richtigen Regenfällen wieder zunichte gemacht. Bald erreichen wir die Minen, doch für einen Besuch sind wir wieder einmal zu spät dran. Beeindruckend ist, dass uns Minenarbeiter sofort wiedererkennen und uns nach unserem "PocoLoco" fragen - der grosse Unimog scheint ihnen Eindruck gemacht zu haben. Wir unterhalten uns ein wenig, dann kriechen wir langsam wieder den Berg hinauf und stoppen immer wieder für Blicke zurück in die enge Schluchtenlandschaft. Auch Yucca queretaroensis wird gebührend fotografiert.



In Zimapan ist unser Restaurant "Los Arcos" nicht mehr am alten Platz zu finden. Nach einigem Suchen und Herumfragen finden wir es dann aber doch noch. Es ist nun in einem viel grösseren Lokal mit Grünfläche, doch viel Betrieb herrscht nicht. Mäge lädt uns zur Feier des Tages und zum Abschluss einer erfolgreichen Reise zum Essen ein und so schlagen wir uns die Bäuche voll. Wir erinnern uns an die wunderschönen Nächte im Schlafsack unter dem Sternenhimmel, an das Bad im hellblauen Fluss, an die Picknicks mit perfekt gereiftem Käse, an die vielen staubigen Pisten, und natürlich an die gigantischen Ausblicke, die sich uns hinter jeder Kurve eröffneten. Auf Mäge's allmorgendliche Frage "was steht heute auf dem Programm" gab es immer nur eine richtige Antwort: "Wir fahren den Berg hinauf. Und wenn wir oben angekommen sind, dann geht es wieder hinunter. Und wenn wir unten sind, dann geht es bestimmt wieder hinauf. Und so weiter...".



April-Mai 2010



Julia Etter & Martin Kristen