travelog 82






Durch die Sierra de los Huicholes



Für seinen 40. Geburtstag muss man sich doch ein kleines Abenteuer einfallen lassen und endlich mal richtig mit Tacos und Bier feiern und in erstklassigen mexikanischen Hotels absteigen. Wenn dann noch traumhafte Landschaften, Schweizer Besuch, interessante Pflanzen, staubige und schlechte Pisten und wunderschönes Kunsthandwerk dazukommen, ist die Reise perfekt.



Mit Julias Mutter Lotti und unserer guten Freundin und treuen Reisebegleiterin Mäge machen wir uns diesmal mit einem Suburban, den uns ein Freund netterweise ausgeliehen hat, auf den Weg in die Sierra de los Huicholes. Die Route ist natürlich schon lange geplant und wir haben uns bei diversen Freunden nach Strassenzustand und Hotelsituation in dieser einsamen Gegend erkundigt. Sogar bei der SCT (Secretaria de Comunicaciones y Transportes) haben wir uns nach der Strasse zwischen Huejuquilla el Alto, Jalisco, und Estacion Ruiz, Nayarit, erkundigt. Ein Ingeniero beschied uns am Telefon, dass der Grossteil der Strecke schon asphaltiert sei und nur noch 80km Piste mit einigen Schlaglöchern zu bewältigen seien. Anscheinend kann man mexikanischen Strassenkarten ebensowenig über den Weg trauen wie in Tepic im Büro hockenden Ingenieuren und muss alles vor Ort selber herausfinden. Es sollte also ganz anders kommen als erwartet - die/der geneigte Leser hat es bereits bemerkt.



Nahe Monte Escobedo besuchen wir zuerst El Salto. Der Ort ist nicht so einfach zu finden, doch mit Hilfe der lokalen Bevölkerung landen wir zu guter Letzt doch noch auf einer Kuhweide, wo uns ein Cowboy die Richtung weist. Tatsächlich müssen wir nur noch wenige Meter zu Fuss gehen und schon stehen wir an der Barranca El Salto, die von weitem überhaupt nicht zu sehen war. Ein dünner Strahl Wasser fällt etwa 30 Meter in die Tiefe in ein dunkelgrünes Bassin, das im Hochsommer sicherlich ein idealer Ort für ein abkühlendes Bad ist. Dank des tiefen Wasserstandes können wir problemlos über den kleinen Bach hüpfen und wandern auf der gegenüberliegenden Seite den Felswänden entlang. Bald entdecken wir die Pflanze, Pachyphytum saltense, deretwegen wir hierhergekommen sind. Wir verbringen einen wunderschönen Nachmittag und würden die Barranca gerne noch viel weiter abgehen, doch dafür reicht wie üblich die Zeit nicht. Wir entdecken mit dem Fernglas grössere Gruppen unserer Pflanzen auf der anderen Felswand. So vereinbaren wir mit Martin, dass er uns von der gegenüberliegenden Seite mit Handzeichen an die Pflanzen heranführen soll, damit wir zu guten Nahaufnahmen kommen. Mit diesem Vorgehen ersparen wir uns auch eine stundenlange Suche nach weiteren fotogenen Pflanzen. In Monte Escobedo quartieren wir uns in einem kleinen Hotel mit Bungalows ein, wo wir in den letzten Strahlen der Abendsonne noch einen Tequila geniessen. Danach muss man sich auch schon alle Jacken anziehen, um der Kälte zu trotzen. Tacostände und offene Restaurants suchen wir vergebens. Die Einwohner sind anscheinend alle nach Bolaños gepilgert und haben das Dorf fast verlassen zurückgelassen.



Von Monte Escobedo aus geht es über Mezquitic nach Huejuquilla el Alto. Dort verbringen wir einen Tag im Norden der Stadt und fahren durch eine wunderschöne Canyonlandschaft mit faszinierender Flora. Von der Piste aus sind tiefe Schluchten zu erkennen und ab und zu ein Pfad, der irgendwo in der tiefen Schattenwelt dieser Barrancas verschwindet. Ein weit oben und ganz unscheinbar beginnender Canyon zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Mäge und Julia, beide noch eher im Kletterziegen-Stadium, schultern die Rucksäcke und steigen auf schmalen Kuhtrampelpfaden in die Tiefe. Das Gelände ist rutschig, die Bäume, an denen man sich festklammern kann, stachlig, und es wird immer steiler, bis die beiden endlich im trockenen Bachbett unten sind. Doch dort hängt in den sonnigen Felsen Pachyphytum saltense, eine Art, die erst 2007 beschrieben und nur vom Typstandort El Salto her bekannt war. Lotti und Martin unterhalten sich derweil im Schatten eines Organo, Stenocereus queretaroensis, mit einem neugierigen Bauern, dessen Aufmerksamkeit wir auf uns gezogen hatten. Die Weiterfahrt führt uns vorbei an weiteren spektakulär aussehenden Schluchten, alle höchstens zu Fuss zugänglich. Bald schon erreichen wir eine Brücke über einen schönen Fluss, dem entlang wir so weit wie möglich in eine Schlucht hineinwandern. Auch hier entdecken wir wieder Pachyphytum saltense, doch obwohl das Habitat ideal erscheint, gedeihen hier nur wenige Pflanzen und wir können keine weiteren Crassulaceen entdecken. In Huejuquilla schlendern wir abends etwas über den Hauptplatz und bestaunen die wunderschön bunten Gewänder der Huicholes und ihren Schmuck. Viele warten neben oder auf Pickups, um nach den Tageseinkäufen in der "grossen" Stadt wieder in ihre kleinen Dörfer und Ranchos zurückzukehren. In einer Seitengasse sind wir dann, da relativ früh für die Mexikaner, die ersten bei den Gorditas. Unter einem mit Plastikblumenkränzen und blinkenden Lichterketten dekorierten Jesus geniessen wir die weitum bekannten Gorditas, dicke Tortilla-Taschen, die mit verschiedenen Zutaten gefüllt werden. Besonders angetan haben es uns die Rajas, in Streifen geschnittene mittelscharfe Chiles, sanftes Bohnen- und Kartoffelpuree, und natürlich der superscharfe Chorizo, der bei allen Schweiss- und Tränenausbrüche hervorruft. Ganz besonders Lotti, die es gern möglichst scharf hat, ist im siebten Himmel.



Westlich von Huejuquilla führt die relativ neue und asphaltierte Strasse durch eine Landschaft, die ans Monument Valley erinnert, ausser dass sich hierher selten ein Tourist verirrt. Einsame Steintürme ragen in die Höhe. Blaue Flüsse haben sich in Jahrmillionen tief in die Felsen hineingefressen. Weit unter uns spannt sich eine gelbe Brücke über den Rio Atengo. Und im Hintergrund erhebt sich die Sierra de los Huicholes, über deren tausend Bergketten wir bis auf die andere Seite und ans Meer fahren wollen. Bei San Juan Capistrano machen wir einen kurzen Abstecher und besuchen den neuen Standort von Echinocactus grusonii. Im trockenen Flussbett wandern wir unter schattigen Bäumen flussabwärts, bis wir die dunklen Felswände erreichen, in denen die gelb bedornten runden Kugeln im ersten Sonnenlicht wunderschön leuchten. Dann schraubt sich die Strasse schnell in die Höhe und wir wechseln von einer Vegetationszone in eine total andere - in die Region des Nadelwaldes. Wir kommen vorbei an Agave maximiliana und später Nolina parviflora und A. filifera ssp. schidigera. Die neue asphaltierte Strasse ist sicherlich ein strassenbauerisches Meisterwerk, doch es wird wohl noch Jahrzehnte dauern, bis die hässlichen Schutthalten des Strassenbaus grün überwachsen sind. An einem Aussichtspunkt weit über dem breiten Tal des Rio Atengo stoppen wir für ein improvisiertes Mittagessen aus der Kühltruhe. Mexikanischer Käse, scharfe Chiles, Jicama und Avocado und zum Dessert eine saftige Melone, dazu eine grandiose Sicht, was will man mehr!? Wenn man sich die Mühe macht und über benutztes Toilettenpapier und weniger ekligen Abfall etwas in die Tiefe klettert, kann man in den Felsspalten Sedum mocinianum und Echeveria agavoides fotografieren. Und wenn man sich noch genauer umschaut, entdeckt man mit etwas Glück vielleicht auch eine Kultstätte der Huicholes mit Peyote, Lophophora williamsii, und bunten Kerzen, Bändern und weiteren Reliquien.



Wir befinden uns nun in immergrünem Nadelwald mit hohen Pinien und Eichen. In den Felsbändern entlang der Strasse fotografieren wir Sedum oxycoccoides, eine Art mit für die Gattung Sedum aussergewöhnlichen dunkelroten Blüten. Bald erreichen wir Canoas, eine Siedlung aus Holzhütten, vor denen bunte Geranien blühen. Wir erfreuen uns noch für etwa 10 Kilometern der asphaltierten Strasse, die dann plötzlich in eine staubige Piste übergeht. Die angekündigten 80km Piste "mit wenigen Schlaglöchern" entpuppen sich dann als mehr als 200km teilweise katastrophal schlechter und kaum befahrbarer Piste. Die Schlaglöcher haben wir nicht mehr mitgezählt, denn wir waren zu fest damit beschäftigt, das Auto unseres Freundes heil durchzubringen. Der puderfeine Staub der Piste setzt sich in allen Ritzen fest und dringt durch jeden kleinen Spalt ins Auto ein. Die Bäume und Wiesen entlang der Piste sind mit einer dicken Staubschicht hell überpudert. Kinder, die von der Schule nach Hause radeln, werden kräftig eingestaubt von den vorbeifahrenden Autos. Wir sind froh, wie angeraten westwärts unterwegs zu sein, denn so müssen wir wenigstens nur irgendwie den Berg hinunterkommen. Hinauf wäre nur mit Vierradantrieb möglich. Natürlich kommen wir nur elend langsam vorwärts und die Zeit läuft viel zu schnell und bei jedem Blick auf die Uhr fragen wir uns, ob wir es vor dem Eindunkeln noch nach Jesus Maria schaffen werden, wo es anscheinend ein Hotel gibt. Ueberhaupt beginnen wir langsam an der Existenz von Jesus Maria zu zweifeln, denn nach jeder Kurve und jedem Pass sehen wir nur weitere Kurven und noch mehr Bergketten und tiefe Täler. Nach der Abzweigung nach San Andres Cohamiata auf 2500m geht es dann endlich nur noch stetig bergab und ein Schild kündet doch tatsächlich Jesus Maria in 53km an.



Trotz der ewigen Schaukelei und der schlechten Piste versuchen wir die atemberaubend schöne Landschaft zu geniessen, was einem v.a. auf den Rücksitzen nicht immer gelingt. Immer wieder ziehen auch die bunt gekleideten Huicholes bei ihren Hütten unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die Strecke zieht sich dahin und Jesus Maria will und will einfach nicht näherkommen. Sogar als wir die ausser Betrieb stehende Landepiste passieren, ist noch weit und breit keine Siedlung in Sicht. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir dann endlich völlig erschöpft Jesus Maria auf 580m Höhe über Meer. Das Hotel ist natürlich nirgendwo ausgeschildert und als wir es endlich finden, ist die Besitzerin gerade in der Messe. Ihr Mann, ein reichlich verwirrter Alter, zeigt uns die wenigen Zimmer. Es sind Verschläge, in denen es kaum Platz für zwei schmale Betten und eine Kommode gibt. Die Dekoration bewegt sich zwischen religiös kitschig und lokalem Kunsthandwerk. Wir machen es uns erst einmal im Innenhof gemütlich und stürzen kaltes Dosenbier mit Limonensaft herunter, obwohl der Alkoholkonsum per Hotelordnung auf eine Flasche oder Dose limitiert ist. Nach einer guten halben Stunde - es ist schon fast Nacht - erscheint endlich Doña Roberta, die in der Verrücktheit gut zu ihrem Mann passt. Wie dieses Paar in diesen gottverlassenen Winkel der Welt verschlagen wurde, ist uns ein absolutes Rätsel. Nun bekommen wir eine Führung im Dunkeln durch die Hotelanlage. Ueber ein paar Treppenstufen und einen Hinterhof erreicht man eine Reihe von Toilettenverschlägen, deren Türen durch Vorhänge ersetzt sind. Eine Brille wäre ein absoluter Luxus. Das Spülwasser schöpft man sich mit einem Eimer aus einem Tank, mit dessen schlammigem Wasser man möglichst wenig Hautkontakt haben möchte. Aber in der Dunkelheit sieht man wenigstens nichts. Es gibt noch weitere Toiletten, alle irgendwo in der Dunkelheit versteckt, doch Doña Roberta besteht darauf, dass wir sie alle in Augenschein nehmen. Auch zwei Duschen sind vorhanden, doch beim Gedanken an das schlammige Wasser, lehnen wir dankend ab. Als es an die Verhandlung des Preises geht, erleben wir die nächste Ueberraschung. Doña Roberta verlangt ohne mit der Wimper zu zucken 250 Pesos pro Zimmer, ein Preis den man normalerweise in einer Stadt für ein normal grosses Zimmer mit Fernsehen und Dusche und Toilette im Zimmer zahlt. Nach zähem Hin und Her handeln wir sie endlich auf 200 Pesos hinunter. Eine andere Wahl haben wir ja nicht, und das weiss sie genau, denn das nächste wirklich akzeptable Hotel ist noch mindestens 150km entfernt. Netterweise und ganz Geschäftsfrau, offeriert uns Doña Roberta einige Quesadillas, die schnell mit Hilfe ihrer Tochter zubereitet werden. Irgendwo streunt immer ihr verrückter Ehemann herum und macht uns ganz nervös. Um möglichst ruhig zu schlafen, leeren wir noch ein paar Tequilas in uns hinein. Dann besuchen wir das kleine Artesania-Geschäft, das Doña Roberta nebenbei auch noch unterhält. Dafür müssen wir durch das Eheschlafzimmer, wo der Alte nun wie ein toter Käfer auf dem Rücken auf seinem Bett liegt und alle Viere in die Luft streckt. Erinnerungen an Kafka kommen hoch. Das Kunsthandwerk der Huicholes ist zwar wunderschön, doch unsere Gastgeberin will uns auch hier abzocken, und ausserdem ist alles total verstaubt. In unseren Zimmern legen wir uns dick mit Antimückenmittel eingesprayt in der staubigen Kleidung ins Bett.



Nach einer kurzen und unruhigen Nacht stehen wir im Morgengrauen auf. Doña Roberta hat uns schon gehört und geistert im Innenhof herum, wahrscheinlich um sicherzustellen, dass wir ja keine Wertsachen aus ihren Zimmern entwenden, eine Vorstellung, die uns nur zum Lachen bringt. Dann sind wir die ersten auf der Strasse in Richtung Estacion Ruiz. Und kurz hinter Jesus Maria kommt Hoffnung auf Asphalt auf - verfrüht, wie wir bald darauf feststellen. An einem Teilstück der Strasse wird hier fleissig gearbeitet. In nur 25km schraubt sich die Piste wieder auf 1460m hinauf. Bald kriechen die ersten Sonnenstrahlen über die Bergketten und wärmen unsere gemarterten Knochen. In den Felsen entlang der Strasse entdecken wir Agave ornithobroma. Und dann erreichen wir auch schon Mesa del Nayar, wo wir Optimisten uns auf die Suche nach einem Frühstück machen. Tatsächlich gibt es ein nettes und erstaunlich sauberes Restaurant, wo man aus dem Fenster heraus direkt in die überwältigende Berglandschaft sieht. Aus einem Radio ertönt Huicholmusik. Die junge Frau bewirtet uns schnell und freundlich und das Frühstück schmeckt ausgezeichnet. Es gibt sogar einen echten Kaffee und Mutter Lotti ist begeistert vom hübschen Molcajete, einem Steinmörser, in dem die scharfe Salsa zubereitet und serviert wird. Erstaunlicherweise kommen noch weitere Gäste. Die beiden Männer fahren einen kleinen Lieferwagen und erzählen uns, dass noch etwa 150km Piste vor uns lägen, was uns natürlich sehr aufmuntert, aber auch völlig übertrieben ist. Wir fahren noch weiter hinauf, bis wir den Sendeturm bei La Cofradia auf 1740m erreichen. Von hier aus können wir endlich den Pazifik irgendwo am Horizont erahnen. Die endlose Sicht über die blauen Bergketten ist überwältigend. Die senkrechten Felswänden, denen sich die Piste nun entlangschlängelt, sind übersät mit Agave pedunculifera, die wie blaue Sterne aussehen. Kurz darauf kommen wir durch eine Landschaft mit grossen Felsplatten, in deren Ritzen mit wenig Humus wieder Agave ornithobroma wächst. In tieferen Regionen sehen wir einen Pilosocereus mit weisser Wolle, Orchideen in den Bäumen, und einen Hylocereus, der Felsen und Bäume überwuchert. Ein Team von Strassenbauern mit Messgeräten passiert uns. Anscheinend wird irgendwo gearbeitet und in einigen Jahrzehnten wird wohl auch diese Strecke asphaltiert sein. Und sicherlich einiges von ihrer Hinterwäldlerischkeit und Einsamkeit einbüssen. Wir allerdings rumpeln weiter auf der staubigen Piste bis wir endlich an eine grosse Baustelle kommen und warten müssen. Riesige Baumaschinen verschieben tonnenweise Material und ein junger Mann bedeutet uns, dass es wohl eine Stunde dauern wird, bis der Verkehr wieder durchgelassen wird. Glücklicherweise kommt bald ein Fahrzeug der Strassenbauer angebraust. Die Ingenieure haben anscheinend Vortritt. Kurz können wir mit einem von ihnen diskutieren, einem Mann aus Mexico City, dessen Firma diesen Teilabschnitt des ganzen Monsterprojektes erstellt. Ende Jahr sollen die paar Kilometer dann fertig sein. Mit unserer Schätzung der Fertigstellung der ganzen Strecke in einigen Jahrzehnten, lagen wir wohl nicht so ganz falsch. Die Baumaschinen baggern eine Fahrspur frei und uns wird eine lange Wartezeit in der Sonne erspart.



Bald erreichen wir eine kleine Ortschaft, wo man für viel Geld Benzin und Diesel erstehen kann. Hier teilt sich die Piste. Die alte Strasse führt kurvenreich weiter, doch wir nehmen die neue Piste, die breit und wunderbar gut zu befahren ist. Bald schon reizt uns ein einsamer Felsknubbel, auf dem wir mit dem Fernglas Agaven ausmachen können. Lotti und Mäge warten auf einer Kuhweide im Schatten eines riesigen Feigenbaumes, während wir uns einen Weg durch den dichten Urwald kämpfen. Bei den untersten Felsen angekommen sehen wir, dass es sich bei der Agave um A. impressa handelt, einer Spezies, die wir bisher nur viel weiter nördlich in der Umgebung von Escuinapa, Sinaloa, gesehen haben. Nach nur wenigen Kilometern auf dieser schönen Piste werden wir auf eine Umfahrung gelenkt. Es handelt sich offensichtlich wieder um die alte Piste und wieder kommen und kommen wir nicht vorwärts. Immerhin geht es uns besser als dem Besitzer eines zusammengebrochenen Fahrzeugs, der uns ratlos fragt, was er denn nun tun solle. Es geht hügelauf und hügelab, vorbei an kleinen Siedlungen, wir passieren interessante Felswände entlang eines Flusses und erreichen schliesslich ein Dorf, wo die Piste wohl ihren schlechtesten Zustand erreicht. Hier ist die Verwirrung gross, doch schliesslich finden wir unseren Weg durch einen Fluss wieder auf die andere Seite und sehen oben schon verlockend die neue Piste. Doch genau an der Einmündung parkt unfreiwillig ein anderes Auto, dessen Fahrer beschlossen haben, genau an dieser strategischen Kreuzung ihr Auto zu reparieren. Einer liegt unter dem Auto, der andere macht sich im Motorraum zu schaffen. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, an dem Fahrzeug vorbeizukommen. Glücklicherweise kommt hinter uns gleich noch ein Lastwagen, der nun wirklich absolut keine Chance hat, sich an dem zusammengebrochenen Fahrzeug vorbeizuzwängen. Die Mechaniker können schliesslich davon überzeugt werden, dass die Wahl ihres Arbeitsplatzes nicht die intelligenteste Idee war und mit vereinten Kräften schieben die beiden, Mäge und Martin, und der dicke Fahrer des Lastwagens das Auto die paar Meter bis auf die Piste hinauf und wir können vorbeifahren. Nun geht es eigentlich nur noch geradeaus und verglichen mit vorher ist es wie eine Autobahn. Bald erreichen wir auch die Asphaltstrasse und dann Estacion Ruiz, wo es erst einmal etwas Kaltes zum trinken gibt. Bis Santiago Ixcuintla ist es nicht mehr weit. Am Hauptplatz hat vor ein paar Wochen gerade ein neues Hotel seine Pforten geöffnet und wir steigen in geräumigen Zimmern ab und geniessen eine ausgiebige heisse Dusche, nach der wir uns wieder wie normale Menschen fühlen.



In einem kleinen Restaurant schlagen wir uns den Magen mit gegrilltem Fleisch und Chorizo voll. Dazu gibt es Bohnen, geröstete Chiles und Frühlingszwiebeln, und natürlich kaltes Negra Modelo Bier. Ein ausgezeichnetes Essen, um eine abenteuerliche Reise über die Sierra de los Huicholes abzuschliessen. Dankbar sind wir auch, dass uns das Auto nicht in Stich gelassen hat. Eine Panne auf dieser Strecke kann man nur als "Horrorvision" bezeichnen...



Februar 2008



Julia Etter & Martin Kristen