travelog 8



White Rim Road



Der Ranger des Canyonlands National Parks für das Gebiet Island in the Sky, der uns das Backcountry Use Permit (unter Verrechnung von 25$ für 14 Tage) ausstellt, schaut uns etwas ungläubig an, als wir auf unseren PocoLoco zeigen und mit unschuldigem Gesichtsausdruck fragen, ob er denn meine, dass wir keine Probleme hätten auf der berühmten White Rim Road (diese Strecke ist ein MUSS für jeden echten Four-Wheeler, wenn er Canyonlands besucht). Er muss einen seiner Kollegen fragen, der mit den Backcountry-Pisten der Region mehr Erfahrung hat. Der stiefelt nach draussen, sieht sich unser Vehikel genauer an und meint dann, es könne zwar an einigen Stellen verdammt eng werden, aber er meine, dass es sich ausgehen sollte. So buchen wir denn fünf Nächte auf den Campsites entlang der rund 100 Meilen (160 Kilometer) langen Strecke, zahlen unseren Obolus (merke: es kann nix zurückerstattet werden, wenn's mal bezahlt wurde !) und machen uns auf den Weg. Entlang der Strecke gibt es ungefähr sieben Plätze, an denen man übernachten darf. Hier steht ein Klohäuschen und der Platz ist nur für ein, höchstens aber drei Partien gemacht, man hat hier also wirklich seine Ruhe. Nur die wirklich verrückten bewältigen die Strecke in einem Tag, wir sind schon froh, wenn wir nur 10-20km pro Tag fahren müssen.



Wir nehmen den etwas unüblicheren Weg über den "Hintereingang", über den Nordwesten, Richtung Green River. Über eine recht gute Erdpiste geht's zuerst über eine Mesa (mit dem für die Gegend typischen Namen Horsethief Mesa - auch Pferdedieb-Hochebene), bis wir an der Canyonkante ankommen und runtersehen können. Die Piste führt in steilen, engen Serpentinen steil in die Tiefe. Martin muss dreimal leer schlucken und meint dann ganz trocken: "Ich fahre, dann kann ich mich auf die Piste konzentrieren und muss nicht dauernd als Beifahrer untätig in die Tiefe gucken !". Das wird denn auch in den nächsten Tagen zum Standard erklärt: bei den engen, steilen und gefährlicheren Stellen fährt er aus erwähnten Gründen.



Trotzdem uns zwei Fahrzeuge entgegenkommen, trotzdem es manchmal recht eng wird oder in den Kurven mehrmals zurückgesetzt werden muss, landen wir eine halbe Stunde später im Tal des Green Rivers und meinen, schon eine etwas heiklere Stelle gemeistert zu haben. Doch wir werden bald eines Besseren belehrt.



Kurz nach der Parkgrenze, den Green River entlang fahrend, begegnen wir einem Vermesser mit seinem Fahrzeug, der uns nur ungläubig mustert und dann lakonisch meint, dass wir da mit absoluter Sicherheit nicht durchpassen würden. Wir entgegnen ihm, dass der Ranger meinte, es würde gehen und dass wir schon vorsichtig sein würden, schliesslich sei ja unser PocoLoco auch unser rollendes Heim, das wir nicht unnötig auf's Spiel setzen würden.



Dann wird's plötzlich eng und enger, zu guter Letzt stehen dann auch noch Felsnasen in die Fahrspur, die selbst kaum noch 3 Meter breit ist. Wir haben ja mit unserer Breite von 2,50 Meter dann noch volle 50 Zentimeter zum Ausweichen. Zuerst prüft Julia den Pistenrand, der steil in den gurgelnden, breiten Green River abfällt - der erweist sich als recht hart und so probieren wir es eben. Im Kriechgang schleichen wir, die rechten Räder knapp am Abgrund, mit einem Auge immer die linke Fahrzeugwand beobachtend, ob sie nun an der Felsnase streife oder nicht, ums Hindernis herum. Es geht sich aus ! Knappe 3 Zentimeter fehlen und es hätte einen tollen Kratzer (oder mehr) gegeben. Schweisstreibend sind solche Aktionen jedoch alleweil, da vergisst man sogar das Fotografieren - was einen nachher schön ärgert.



Der Überzeugung, die berüchtigte enge Stelle passiert zu haben, stellen wir uns zwei Nächte auf eine entlegene, ober-friedliche Campsite im Taylor Canyon, gerade unterhalb der berühmten Formationen Zeus und Moses, umgeben von einer überwältigenden Szenerie. Die Gnats (zu deutsch "Gnitzen") plagen uns, besonders wenn es windstill wird. Es sind mikrokleine, schier unsichtbare Insekten, deren Biss fürchterlich juckende Stellen hinterlässt; was es besonders fein macht: sie pflegen einem in die Haare zu kriechen und hinterlassen die juckenden Schwellungen bevorzugt auf dem Kopf - angenehm !!!



Nachdem uns nochmals ein Amerikaner mit Sohnemann vor der vor uns liegenden Strecke - weil zu enge Kurven, zu schmale Piste und zuviele in die Piste ragende Felsnasen - gewarnt hat, fahren wir trotzdem weiter. Die Piste wird schmal, sehr schmal und doch kommen wir normal vorwärts. Mal geht's steile Serpentinen bergan, mal kurvt man im Schneckentempo steilen Felsabstürzen entlang und oftmals kommt man an Stellen vorbei, an denen Amis mit ihren 4x4-Pickups herumgeübt und dabei tiefe Spurrinnen oder auch Mulden hinterlassen haben. Für uns mit dem Unimog und seiner Bodenfreiheit jedoch keinerlei Herausforderung. Dafür werden wir immer wieder belohnt mit aussergewöhnlichen Ausblicken und - was für uns auch eine Belohnung darstellt - nur alle 2 bis 3 Stunden begegnen wir einem Off-Road-Fahrzeug, ansonsten sind wir allein.



Die nächste grössere Herausforderung jedoch lässt nicht lange auf sich warten. Wieder handelt es sich um eine Stelle, an der wir dank einer weit in die Piste ragenden Felsnase bis auf den äussersten, steil abfallenden Pistenrand (natürlich schon ausgewaschen und mit Rinne...) ausweichen müssen. Der Schweiss steht einem auf der Stirn und doch möchte man nicht mehr zurück. Es gelingt, jedoch denkt man sich dabei immer, dass man eventuell an einer anderen Stelle der Strecke wird umdrehen müssen und was dann ?! Dann muss man, ob man will oder nicht, auch diese Stelle wieder in umgekehrter Richtung passieren.



Den wohl von allen Off-Roadlern gefürchtetsten Hügel, Murphy's Hogback, empfinden wir wohl als etwas steil und felsig, jedoch mit dem richtigen Gang recht einfach zu fahren. Nur wiederum eine Felsnase (siehe Bild) macht uns noch etwas zu schaffen, aber wir sind ja schon einiges in dieser Hinsicht gewöhnt. Auf Murphy's Hogback übernachten wir auf einer der drei zur Verfügung stehenden Campsites. Eine steife Brise (schon eher zeitweise Sturm- böen) bläst den ganzen Abend und rüttelt an unserem fahrenden Häuschen. Wir versuchen zwar, das westliche White Rim, auf das man von hier aus eine phänomenale Sicht hat, im Abendlicht auf Film zu bannen, jedoch sind die Resultate nicht vorherzusehen, da der Wind an Kamera und Stativ während den Aufnahmen richtiggehend herumrüttelt.



Unter den kritischen Blicken von 18 Augen fährt Julia am nächsten Morgen Murphy's Hogback auf der Südseite runter, nachdem Martin von etwas ungläubigen, amerikanischen Machos erst mal interviewt wird, ob es wohl richtig sei, einer Frau diese schwierige Aufgabe zu überlassen. Als sie dann aber sehen, dass die Frau auch noch den richtigen Gang findet, verstummen und fotografieren sie.



Die Strecke wird äusserst ungemütlich, da sehr uneben, nicht unterhalten und da auch sehr viele Felsplatten zu überqueren sind. Wir kommen nur langsam vorwärts und brauchen für runde 10 Kilometer gerade mal 5 Stunden. Den nächsten Übernachtungsplatz, White Crack, das südlichste Spitzchen des White Rims, erreichen wir am späteren Nachmittag und erkunden die umliegenden Felsen nach der besten Fotoposition. Julia findet sie auch (siehe Bild), nur würde sich Martin nicht dorthin setzen. Wir lasen bereits vorher über diese Stelle in Büchern, dass hier in früheren Zeiten Indianer gewohnt haben sollen. Heute verstehen wir, warum. Es ist wohl einer der friedlichsten, angenehmsten Orte, die wir bis heute im amerikanischen Südwesten besucht haben - zudem noch mit einem der atemberaubendsten Rundblicke ! Ein Foto kann dies gar nicht so wiedergeben, wie man es an Ort und Stelle erlebt (ein Foto mit einem Teil der Sicht ist unter Bilder-Galerie, Unimog anzusehen; schaue dort nach "White Crack"). Eine 360-Grad-Panoramaaufnahme werden wir, sobald der Film entwickelt ist, in der Bilder-Galerie unterbringen.



Am nächsten Morgen fahren wir früh los, denn wir haben rund 30 Kilometer bis zum nächsten Übernachtungsplatz, "Airport" genannt, zurückzulegen. Die Strecke ist mit einem so grossen Fahrzeug recht schwierig, da nur sehr langsam, zu befahren. Immer wieder müssen enge Stellen am Canyonrand passiert werden. Eine der spektakulärsten wird von Julia fotografisch festgehalten, während Martin gar nicht ahnt, über was er da fährt - unter der riesigen Sandsteinplatte ist nämlich nur gähnende Leere !



Immer wieder müssen recht steile Felsplatten erklommen oder hinabgekrochen werden. Tiefe Kratzspuren im Sandstein zeugen von etwas unvorsichtigen Off-Roadlern, die ihrer Oelwanne oder ihrem Differential etwas zusetzten. Mal liegt ein Raddeckel oder ein kompletter Auspuff am Wegrand, Zeugen etwas ruppiger Fahrweise. Wir lassen nix liegen, jedoch kommen wir auch nicht recht vorwärts. Es ist aber immer noch besser, mit PocoLoco langsam zu fahren, als den ganzen Haushalt durcheinander zu schütteln.



Gegen Abend treffen wir in Airport an und müssen alles festzurren, so reissen Windböen an unserem Aufbau. Trotz Hitze müssen die Fenster bis auf kleine Schlitze geschlossen werden, da wir sonst bald in einem Sandkasten hocken würden. Und doch treibt es feinen Sand in unsere gute Stube, den wir am nächsten Morgen dann raussaugen und aufputzen müssen. Während der Nacht regnet es in Strömen und wir haben schon so unsere Befürchtungen, dass wir wohl nicht mehr so schnell von da wegkommen würden. Der in dieser Gegend der Welt lehmige Boden verwandelt sich in Verbindung mit Wasser nämlich blitzartig in eine seifige, klebrige Pampe, die man schier nicht mehr aus dem Reifenprofil herausbekommt. Doch der nächste Morgen bringt bald wieder Sonne, die Piste trocknet schnell ab und so verlassen wir den White Rim auf der Ostseite Richtung Moab.



Das, was die Wenigsten dachten, haben wir geschafft: Das White Rim mit unserem PocoLoco zu umrunden !



Juni 1998



Julia Etter & Martin Kristen