travelog 75

Cañon de la Mano
Echeveria grisea und Thompsonella platyphylla wurden beide aus dem Cañon de la Mano bzw. dem Iguala Canyon beschrieben. Für uns sind das also zwei gute Gründe, dieser Schlucht einen Besuch abzustatten. Um genau zu sein, zwei Besuche, einmal im November 2004 und das zweite Mal im Dezember 2006. Bei unserem ersten Besuch mussten wir in brütender Hitze, der erwähnte Canyon liegt auf ungefähr 900m über Meer, lange entlang Eisenbahnschienen laufen und fanden zum Schluss nur eine der beiden gesuchten Pflanzen, nämlich Echeveria grisea. Der zweite Besuch, von dem wir Euch hier erzählen wollen, verlief da schon erfolgreicher.
Wie gewohnt wollen wir unser Mobil in El Naranjo zwischen Taxco und Iguala parken, doch diesmal sehen wir eine Piste, die 2004 noch nicht vorhanden war. Von unseren Potosiner Freunden haben wir das Motto übernommen, dass man mit dem Auto immer so nahe wie nur irgend möglich ans Ziel heranfahren sollte, denn nachher gibt es zu Fuss immer noch genug zu erkunden. Also versuchen wir unser Glück auf besagter Piste. Tatsächlich sind seit unserem letzten Besuch die Eisenbahnschienen zur Seite geschoben worden und die Eisenbahntrasse wurde zu einer Piste umgewandelt. Wir ersparen uns so viel Fussmarsch und gelangen bequem bis zum Eingang der Schlucht. Hier sehen wir auch, weshalb plötzlich eine Piste gebaut wurde. Grosse Bagger und Baumaschinen parken weit unterhalb am Boden der Schlucht, wo wir schon sehen können, dass eine kleine Mauer entsteht, die offensichtlich zu einer grossen Staumauer aufgebaut werden soll. Für uns bedeutet das einerseits bequemen Zugang, doch andererseits wird durch eine Staumauer sicherlich auch einiges in Zukunft zerstört. Doch das muss man jetzt erst einmal abwarten.
Diesmal untersuchen wir gleich die ersten Felsen nach Thompsonella platyphylla und haben Glück. Die Pflanzen wachsen tatsächlich an der prallen Sonne und stehen in voller Blüte. Danach fehlen uns nur noch wenige Meter, die wir entlang der originalen Eisenbahnschienen bis zur Brücke laufen. Die Eisenbahnlinie Mexico City - Cuernavaca - Balsas, die ihr geplantes Ziel Acapulco nie erreichte, wurde 1899 eingeweiht und erst 1997 aufgegeben. Der nicht nur für Eisenbahnfans wohl spektakulärste Teil dieser Strecke ist der Cañon de la Mano, der wegen seiner geschwungenen Form auch Cañon de la S genannt wird. Die Schlucht, durch die die Eisenbahn früher fuhr, durchschneidet einen 500m hohen Berg. Ganz am Eingang müssen wir über die alte Eisenbahnbrücke balancieren, was für nicht schwindelfreie Leute etwas schweisstreibend sein kann. Etwa 100 Meter über dem Boden der Schlucht setzt man einen Fuss vor den anderen, wenn möglich immer auf einen der dicken Holzbalken, auf die man sich besser gut konzentriert. Eingangs wurden Metallplatten über die Balken genagelt und jedesmal wenn sie sich unter dem Gewicht des Wanderers biegen, knallt es unheimlich und das Echo dröhnt von den senkrechten Felswänden wider. Einige der Balken sind schon etwas morsch und scheinen angefressen zu sein, doch die Eisenstruktur darunter sieht stabil aus. Trotzdem sind wir froh, das andere Ende der Brücke zu erreichen und festen Boden unter den Füssen zu haben !
Die senkrechten Felswände sind ein ideales Habitat für die unterschiedlichsten Pflanzen. Am Eingang des Canyons treffen wir auf ein Pärchen, das sichtlich zu Fuss bis hierher gekommen ist, den wir sahen kein anderes Auto. Ihn entdecken wir irgendwo oben in der Felswand, wo er sich wie Tarzan von Baumstamm zu Baumstamm hangelt. Auf die Frage, was er denn dort oben tue, zeigt sie uns den Inhalt einer Tüte. Für die Dekoration der Weihnachtskrippe, oder vielleicht auch zum Verkauf auf dem Dorfmarkt, suchen die beiden kleine, weiss bedornte Mammillarien, M. nunezii ssp. bella. Sie haben schon eine ansehnliche Sammlung zusammen und nun wundern wir uns auch nicht mehr, weshalb wir später keine der kleinen Mammillarien in erreichbarer Nähe sehen. Von der Regenzeit her ist noch sehr viel Vegetation übriggeblieben und der Pfad entlang der Schienen führt teils durch dichtes grünes Gebüsch. Riesige, grossblumige Margaritenbüsche stehen in Blüte und ein anderer Strauch schmückt sich mit Blüten, die aussehen wie grosse Veilchen. Ein verwilderter Chirimoya-Baum trägt Früchte, die leider noch unreif sind. Auf der gegenüberliegenden Seite tragen viele Bäume noch ihre grünen Blätter und zwischendurch setzen die rosaroten Blüten des Amapa-Baumes, Tabebuya rosea, farbige Akzente. Im Schatten und an feuchteren Stellen finden wir eine Manfreda und eine Begonie mit hübschen rosaroten Blüten. Agave angustiarum steht am Beginn ihrer Blütezeit. Eine silbrige Hechtia dagegen hat sich schon mit hunderten kleiner weisser und duftender Blüten geschmückt. Die verzweigten Aeste rotstämmiger Burseras ragen blattlos in die Höhe. Die normalerweise bläulich angehauchten Blätter eines Pseudosmodingiums leuchten in herbstlichen Farben. Das Flussbett, das anfangs weit unter uns lag, kommt immer näher und endlich erreichen wir eine zweite, kleinere Brücke.
In den Ritzen und Löchern der Steinmauern nahe der Brücke gedeihen viele Pflanzen von Echeveria grisea, die momentan auch in Blüte steht. Die zarten blassrosa Blüten werden von einem ganz kleinen Kolibri mit smaragdgrün schillerndem Rücken, blaugrüner Brust und schwarzem Kopf mit kurzem, schwarzem Schnabel und einem weissen Streifen über den Augen besucht. Er verfolgt uns eine Weile neugierig, pfeift und schnattert, doch bald begibt er sich wieder auf seine Futtersuche. Gleich hinter der Brücke erreichen wir den ersten kurzen Tunnel. Dahinter öffnet sich die Schlucht und wird breiter. Wir folgen den Gleisen noch eine Weile, doch scheinbar befinden wir uns schon wieder nahe der Zivilisation, denn auch hier wurde begonnen, die Trasse von den Gleisen zu befreien und in eine Piste zu verwandeln.
Auf dem Rückweg wandern wir etwas dem trockenen Flussbett entlang. An einigen Stellen ist der Sand noch ganz nass und wir sehen deutlich die Spuren von verschiedenen Tieren. Die Hufabdrücke von Rehen und die kleinen Pfötchen von Waschbären sind einfach auszumachen. Daneben gibt es noch grosse Pfoten, die entweder den bösartigen Hunden gehören, vor denen wir gewarnt wurden, oder aber einer grösseren Raubkatze, wobei ersteres wohl wahrscheinlicher ist. Ein grosser Fels ist überwuchert mit den schmalen, grünen Blättern eines Epiphyllums. In den Bäumen gedeihen Tillandsien und Orchideen. An sonnigen Stellen in den Felswänden stossen wir auch auf einen bläulichen Kaktus mit genörpelten Rippen, einen Stenocereus beneckei. Zurück auf der Eisenbahntrasse kommen wir schnell vorwärts und erreichen bald wieder den Eingang der Schlucht und die grosse Brücke. Wenn man so zwischen den Holzbalken durch die Eisenkonstruktion der Brücke in die Tiefe schaut, gibt das sogar den schwindelfreien Personen ein mulmiges Gefühl im Magen. Ein Höhepunkt dieser Wanderung ist die Ueberquerung der Brücke aber sowieso.
Obwohl es Sonntag ist, allerdings noch eher früher Morgen, haben wir auf unserer ganzen Wanderung nur das eine Pärchen angetroffen und die ganze Schlucht für uns alleine gehabt. Als krönenden Abschluss genehmigen wir uns in Iguala, Cuna de la Bandera Nacional, der Wiege der mexikanischen Fahne, wo auch tatsächlich eine monströs grosse Fahne auf einem Hügel im Wind weht, vor dem Markt mit vielen Flohmarktbesuchern Tacos mit gegrilltem Fleisch und Chorizo, einer scharfen Wurst. Während wir auf einen freien Tisch warten müssen, bekommen wir vom Grillmeister schon einmal ein kleines Probiererchen. An einem extra Tisch ist eine Frau damit beschäftigt, Tortillas von Hand zu machen. Unsere Tacos werden mit einer scharfen Salsa und gegrillten Zwiebeln und Chiles serviert. Dazu sündigen wir mit einem Refresco, einem sogenannten Erfrischungsgetränk der in Mexiko allgegenwärtigen Firma Coca Cola. Danach sind wir gestärkt und ausgeruht und brechen auf zu neuen Abenteuern in die Berge und das Hinterland von Guerrero. Wir hoffen nun, Euch den Mund etwas wässrig gemacht zu haben ! Nein, nicht nur auf Tacos, sondern auch auf unseren nächsten Reisebericht, der uns durch die Sierras von Guerrero führen wird.
Januar 2007
Julia Etter & Martin Kristen
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