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Taxco de Alarcón



Weisse Häuser, zu enge und zu steile Gassen, flanierende Menschen, Silbergeschäfte, Schlangen von VW Käfern und VW Bussen, Abgaswolken, blauer Himmel über verwitterten Bergzinnen, das alles und vieles mehr ist Taxco de Alarcón, die wohl berühmteste Silberstadt Mexikos im Bundesstaat Guerrero. Zweimal nun haben wir diese wunderschöne Stadt schon besucht, beide Male mit Unmengen von anderen Touristen. Das erste Mal, Ende November, fand gerade die Feria de Plata statt, die Silbermesse. Beim zweiten Besuch Ende Dezember war die Stadt bevölkert mit Touristen aus Mexico City, die hier die Weihnachtsfeiertage verbrachten. Taxco wird man wohl menschenleer nie erleben können, doch vielleicht ist es ratsam für Leute, die den grossen Rummel nicht so schätzen, die Silberstadt nicht an Feiertagen oder Wochenenden zu besuchen.



Die Tlahuica Indianer, die in der Gegend von Taxco, das sie Tlachco nannten, wohnten, zahlten den Azteken ihre Steuern mit Silber- und Goldbarren. Nach der Ankunft der Spanier in Mexiko erkundete Cortes ungefähr 1530 die Gegend und fand tatsächlich grosse Mengen an Gold und Silber. Die erste Mine der Spanier in der Neuen Welt wurde errichtet, ist aber heute nicht mehr zu sehen, denn an ihrer Stelle wurde die Kirche Santa Prisca am Hauptplatz von Taxco erbaut. Um 1930 herum wurde Taxco dann berühmt für seine Silberschmiedekunst. William Spratling, ein amerikanischer Professor, der eigentlich ein Buch in Mexiko schreiben wollte, endete plötzlich in Taxco und heuerte einige junge Künstler an, mit denen er ein Geschäft für Silberschmiedekunst startete. Seine Schüler öffneten über die Jahre ihre eigenen Silbergeschäfte und so wird heute das Kunsthandwerk in verschiedenen Familien weitergegeben. Seither ist Taxco wohl DIE Silberstadt in Mexico, wo sich ein Silbergeschäft ans nächste reiht und man von silbernen Delfinen über Schlüsselanhänger, Bestecke, Büsten, Aztekengottheiten, Ohranhänger, Aschenbecher und vieles mehr wohl alles kaufen kann, was aus Silber hergestellt werden kann.



Taxco liegt auf ca. 1650m Höhe und erfreut sich das ganze Jahr über eines angenehmen Klimas. Im Winter wärmt einen die Sonne auf den vielen kleinen Plätzen und Aussichtspunkten. Im Sommer spenden die engen, schattigen Gassen Kühle. Am besten ist man zu Fuss unterwegs, oder dann mit einem lokalen Taxi, um sich so nicht im unmöglichen Verkehr ärgern zu müssen. Am schönen baumbestandenen Hauptplatz von Taxco liegt die reich verzierte Kirche Santa Prisca. Gleich dahinter verliert man sich im Labyrinth des Marktes. Wahrscheinlich hat dieser als kleiner Markt begonnen, nun aber ist er in unzählige Gassen und Strässchen hineingewachsen. Man kann sich einfach darin verlieren und kommt sicherlich nie am gleichen Punkt heraus, an dem man hineingefunden hat. In der Sektion mit den Fondas, den kleinen und billigen Restaurants, bekommt man tagsüber immer etwas zu essen. Morgens wird nach Zimt duftender Cafe de Olla serviert, dazu gibt es staubtrockene süsse Brötchen. Mittags dann kann man sich für Chiles Rellenos, mit Käse gefüllte und im Ei ausgebackene Chilischoten, die in einer Tomatensauce serviert werden, oder eines der vielen anderen typischen Gerichte entscheiden wie verschiedene Moles, scharfe Saucen mit Fleisch, oder einen Pozole, eine dicke Suppe mit weissen Maiskörnern und Schweinefleisch, die in Guerrero besonders beliebt ist. Auf dem Markt gibt es natürlich alles zu kaufen, was das Herz begehrt. Aus einer Ecke dröhnt laute Musik, die CD's und DVD's sind allesamt Raubkopien und natürlich entsprechend billig. Vor Weihnachten ist buntes Plastikspielzeug äusserst beliebt. Auch werden tütenweise Moos und Tillandsia usneoides für die Dekoration der Weihnachtskrippen verkauft. Daneben gibt es Früchte und Gemüse, verschiedene Bohnen und Gewürze, aber auch Heilkräuter und getrocknete Chiles. Eine besondere Spezialität Taxcos gibt es nur nach Ende der Regenzeit von Oktober bis Dezember zu kaufen, nämlich die Jumiles, kleine Wanzen. Auf Treppenstufen und kleinen Hockern an strategischen Ecken des Marktes sitzen Frauen mit grossen Plastiktüten voller krabbelnder Jumiles. Sie werden portionenweise in kleine Plastiktütchen mit Löchern umgepackt und bekommen je ein paar grüne Blätter als Futter. Jumiles werden entweder lebendig gegessen, oder aber geröstet und im Mörser mit Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Chile zu einer scharfen Salsa verarbeitet. Auch als Füllung in Tacos kann man sie antreffen. Wir haben Jumiles in einer Salsa im Restaurant "Santa Fe" probiert und können sagen, dass deren Genuss uns nicht geschadet hat, dass wir Europär allerdings im Kopf eine Barriere gegen solche krabbelnden Tiere im Essen haben. Uebrigens heissen die kleinen Wanzen auf lateinisch Atizies taxcoensis und gehören zu den sogenannten Stinkwanzen - was einem den Verzehr nicht gerade erleichtert, wenn man das weiss. Sie haben einen hohen Jodgehalt und sind ausserdem eine gute Quelle für die Vitamine Riboflavin und Niacin. In Taxco wird Anfang November sogar ein Fest zu Ehren der Jumiles gegeben, u.a. mit einer Messe beim Kreuz auf dem Cerro del Huizteco. Nach diesem Exkurs in die Welt der mexikanischen Delikatessen, machen wir uns wieder auf den Weg zu unserem Streifzug durch Taxco.



Die Stadt ist nicht sonderlich geeignet für Besucher im Rollstuhl oder Touristen mit einer Kreislauf-Krankheit. Es ist eine sehr hübsche Stadt, die man auf Streifzügen durch kleine Gassen stundenlang erforschen kann. Man wandert bergauf und bergab, um hundert Hausecken herum, steigt steile Stufen treppauf und treppab. Man teilt die engen Gassen mit VW Käfern und kleinen VW Bussen, den wohl beliebtesten Fortbewegungsmitteln in Taxco. Oft muss man schnell zur Seite springen, wenn ein VW Käfer mit Vollgas um die Ecke schiesst, um in der Steigung ja nichts von seiner Kraft zu verlieren. Dann beobachten wir das Auto, wie es die extrem steile Gasse hinaufkeucht und immer langsamer wird, es aber mit seinen Passagieren tatsächlich bis oben schafft, ohne dass ein anderes Auto entgegenkommy. Weniger Glück hat ein anderer Taxifahrer, dem auf einer engen und extrem steilen Strecke, an der wir sogar zu Fuss immer wieder nach Halt suchen, ein anderes Taxi entgegenkommt. Rückwärts schliddert er auf dem völlig abgefahrenen Kopfsteinpflaster bis zur nächsten Ausweichstelle zurück und hat anschliessend beträchtliche Mühe, seinen ursprünglichen Schwung wiederzufinden. Wer jetzt gemerkt hat, dass die Regeln der Autofahrkunst besagen, dass derjenige, der von oben kommt, rückwärts fahren muss, der hat natürlich vollkommen recht, doch in Mexiko funktioniert eben einiges etwas anders und wer beim Autofahren zuerst nachgibt, hat das Nachsehen. Wenn in Taxco gerade in einer Gasse gebaut wird, müssen eben andere Gassen plötzlich in beide Richtungen befahrbar gemacht werden, auch wenn sie nicht dafür geeignet sind. Dafür stellt man Polizistinnen mit Walkie-Talkies an strategische Ecken, die dann versuchen, den Verkehr zu dirigieren. Das funktioniert natürlich nicht immer perfekt, denn die Eiligen fahren einfach zu in der Hoffnung, dass schon keiner entgegenkommen wird. Da trifft man sich dann in Kurven und die darauffolgenden Manöver sind Millimeterarbeit. Als Passagier in einem Taxi muss man sich so wenigstens keine Sorgen um den Lack oder die Spiegel des eigenen Autos machen. Auf einer dieser steilen Gassen klettern wir in die höheren Regionen von Taxco. Bei einer kleinen Kapelle gibt es einen grossen Platz, von dem aus wir einen tollen Blick über die ganze in die Hügel gebaute Stadt erhaschen. Weit unter uns ragen die zwei rosaroten Steintürme von Santa Prisca in den blauen Himmel und man überblickt das Labyrinth der vielen Gassen. Ausserdem hat man einen schönen Blick auf einige der ganz normalen Häuser in Taxco, die abenteuerlich auf- und ineinandergeschachtelt sind. Wäsche baumelt an einem Seil, den Parkplatz fürs Auto würden wir sofort in eine Aussichtsterrasse verwandeln, Kinder spielen in einem schattigen Hinterhof, eine Frau giesst ihre vielen Topfpflanzen, und Hunde kläffen von Flachdächern herunter. Auf dem Rückweg erkunden wir andere Ecken von Taxco und folgen sich den Hügeln entlangschlängelnder Gassen, um über Steintreppen wieder ins Zentrum der Stadt hinunterzusteigen.



Natürlich sollte man bei einem Besuch von Taxco auch einige der ungefähr 300 Silbergeschäfte besuchen. Da versichern uns alle, dass sie nur ganz echtes Silber verkaufen, und das auch noch zum besten Preis in der ganzen Stadt. Die Auswahl ist riesig und oft wird viel Kitsch angeboten, doch mit etwas Zeit und viel Geduld wird hier jeder fündig. Gegen Abend scheint der Verkehr zuzunehmen. An einem Hauptverkehrsknotenpunkt, einem schönen Platz mit einem Brunnen in der Mitte, ist es für uns Fussgänger schon fast lebensgefährlich. Taxis und VW Busse stehen Stossstange an Stossstange und keiner will auch nur einen Millimeter nachgeben, denn sonst könnte sich ja ein Auto aus einer anderen Gasse in die Lücke hineinquetschen. In Einerkolonnen marschieren die Fussgänger entlang einer Hauswand von Geschäft zu Geschäft. Die engen Gassen füllen sich mit Abgasgeruch und der Lärm der Motoren übertönt jedes andere Geräusch. Wenn nichts mehr weitergehr, beginnt das Hupkonzert, obwohl natürlich auch das absolut nichts nützt. Da sucht man sich am besten ein Lokal und setzt sich gemütlich zu einem Bier nieder. Unser Favorit ist das Restaurant "Santa Fe", weil es dort das billigste Bier in der Umgebung des Hauptplatzes und preisgünstiges, gutes, einheimisches Essen gibt. Ausserdem sind wir dort fast die einzigen Touristen. Dies ist übrigens auch der Ort, an dem man sich nach den Jumiles erkundigen kann. Die Köchin ist immer gerne bereit, einem diese Spezialität auf die eine oder andere Weise zuzubereiten !



Wer vom Rummel und vom Bummeln genug hat, kann sich etwas in der Umgebung von Taxco umsehen. Die Höhlen Grutas de Cacahuamilpa zum Beispiel sind einen Ausflug wert. Da wir relativ zeitlos leben, erwischen wir ausgerechnet einen Samstag für unseren Besuch. Die erste geführte Tour um 10 Uhr morgens verpassen wir knapp. Also heisst es geduldig auf die zweite Tour um 11 Uhr warten. Auf dem grossen Areal des Parkplatzes, der sich langsam aber sicher mit grossen Tourbussen füllt, aus denen viel zuviele Leute herausquellen, gibt es Souvenirstände und kleine Restaurants. Geschäftstüchtige Frauen machen die Runde und leiern den Wartenden schon einmal das Menu herunter, damit sie bei ihrer Rückkehr aus der Höhle bei ihnen zum Essen vorbeischauen. Andere Verkäuferinnen sind behängt mit Hunderten von Halsketten und Anhängern. Besonders Kinder aus den unzähligen Schulklassen, die auf ihre Spezialführung warten, kaufen die Halsketten in rauhen Mengen und marschieren nachher stolz behängt wie die besten Rapper durch die Gegend. Pünktlich um 11 Uhr kommt die Ansage über Lautsprecher, dass wir uns bitte zum Start unserer Tour mit unseren Eintrittskarten am Tor präsentieren sollen. Mit ca. 50 weiteren Personen machen wir uns auf den Weg zum Höhleneingang, wo wir an weiteren Souvenirständen vorbeikommen. Durch ein grosses Loch im Karst-Berg treten wir in die Höhle ein. Vier Kilometer lang würden wir in drei Stunden gehen, wird ebenfalls über Lautsprecher angekündigt, da wundern wir uns schon etwas über die greisen Mitglieder unserer Truppe, die sich von fliegenden Händlern immerhin einen Stock gekauft haben. Der asphaltierte Weg ist beidseits mit kleinen Lämpchen beleuchtet. Die grandiosen Formationen, Stalaktiten und Stalagmiten, sind wunderschön angeleuchtet, doch jedesmal wenn der Führer ausgeredet hat, dreht er den Lichtschalter wieder ab und wir wandern fast im Dunkeln weiter. Da sind wir schon froh über die notdürftige Beleuchtung des Betonbandes, auf dem wir uns durch den Berg bewegen. Nur ganz am Eingang ist eine Gruppe von Stalaktiten kitschig mit bunten Lampen angestrahlt, der Rest der Höhle ist sehr geschmackvoll ausgeleuchtet. Unser Führer hätte überall auf der Welt angestellt sein können, hier leiert er seine publikumserheiternden Sprüche eben auf Spanisch herunter. Durch sein Mikrofon ist er für uns sowieso schwer verständlich. Immerhin entgehen uns einige der Namen der zu sehenden Formationen nicht. Neben den üblichen Vogelköpfen, Dinosauriern, Katzen, Elefanten und Mäuschen bewundern wir Benito Juarez, ehemaligen mexikanischen Präsidenten indianischer Herkunft, Dante, Papst Johannes Paul II., King Kong, die Jungfrau von San Juan de los Lagos, und viele weitere bekannte Persönlichkeiten aus dem Showbusiness und der katholischen Kirche. Am besten gefällt uns die Höhle aber doch, wenn wir entweder ganz am Ende oder ganz am Anfang der Truppe gehen können, um die wundersamen Launen der Natur in Form von Steinformationen zu bewundern. Die Räume mit Stalaktiten und Stalagmiten sind teils bis zu 40m breit und mindestens ebenso hoch. Obwohl uns geraten wurde nur im T-Shirt auf die Tour zu gehen, wird es ganz schön kühl, je weiter wir in den Berg hinein vordringen. Immer wieder macht der Führer Anstalten, sich mit uns in ein Gespräch in englischer Sprache zu verwickeln. Wir vermuten, dass er auf ein saftiges Trinkgeld hofft, da wir fast die einzigen ausländischen Touristen sind. Am Ende der Reihe von Räumen angekommen, setzen wir uns von unserer Gruppe ab und machen uns im Dunkeln auf dem nur von den kleinen Lämpchen beleuchteten Pfad wieder auf den Rückweg und sind froh, nach knapp drei Stunden wieder das wärmende Sonnenlicht zu erreichen. Mittlerweile ist auf dem Parkplatz die Hölle los und wir können uns kaum der Souvenirverkäufer erwehren.



Ein anderer lohnender Ausflug ist der Cañón de la Mano südlich von Taxco, doch diesen Ort werden wir Euch im nächsten Reisebericht vorstellen. Natürlich gibt es in der Umgebung von Taxco noch viele weitere lohnenswerte Ziele, einige davon zu erreichen über sehr schlechte Strassen mit vielen Schlaglöchern, andere bequem an der Hauptstrasse gelegen, doch das findet Ihr bei Euerem Besuch am besten selber heraus. Taxco de Alarcón erwartet Euch !



Dezember 2006



Julia Etter & Martin Kristen