travelog 7



Slot Canyons



Der Eingang ist nicht von schlechten Eltern - gerade mal körpereng und rund 5 Meter tief - Round Valley Draw. Zuerst denken wir uns, dass wir uns vielleicht verlaufen oder in der Richtung geirrt hätten - so breit und unscheinbar sieht das zuerst sandige, dann immer steiniger werdende Flussbett aus. Und plötzlich öffnet sich vor uns ein immer tiefer werdender Spalt, der sich als einer der schönsten Slot-Canyons des amerikanischen Südwestens (meistens in Süd-Utah gelegen) erweisen sollte (jedenfalls an denen gemessen, die wir im Laufe der Zeit besucht haben).



Der Abstieg in diesen Slot Canyon macht zuerst etwas Bauchweh - ganz besonders den Leuten, die einen Respekt vor Höhen bzw. Tiefen haben. Und doch, wenn man erst einmal gemerkt hat, dass es sich hier um einen griffigen Sandstein handelt, der einem die Möglichkeit gibt, sich festzuhalten, dann schwindet die Angst schnell und man steigt mit hinunter in den engen Schlund.



Sehr schnell ist man fasziniert von den Formen, die die Natur aus dem Stein geschnitten, nein, gewaschen hat. Die Wände sind horizontal geriffelter Sandstein, in schwungvollen Rundungen ausgefräst. Erst sind die Canyonwände ein paar Meter hoch, doch bald geht es tiefer und tiefer hinein und man klettert über grosse Felsblöcke in die Tiefe. An einem einige Meter tiefen steilen Abbruch müssen wir umkehren, da wir keine Chance für eine normale Rückkehr sehen. Julia probiert es zwar aus, muss dann aber von Martin wieder hochgezogen werden - was umgekehrt etwas grössere Probleme bereitet hätte.



Aber eigentlich wollten wir ja Antelope Canyon in der Nähe von Page in Nord-Arizona besuchen, doch da darf man seit dem grossen Unglück von vor zwei Jahren, bei dem elf Franzosen in einer "Flash-Flood" (Flutwelle) umkamen, nur noch mit einer geführten Tour hinein, die alle zwei Stunden abgeht, was ungefähr soviel bedeutet, als dass sich Horden durch den Slot quälen und sich gegenseitig durchs Bild trampeln. Also verlegen wir uns auf etwas weniger bekannte Slots in Utah, z.B. auf die Buckskin Gulch.



In der Ranger Station warnen sie uns vor der wirklich ganz schlechten Strasse mit tiefem Sand, sie wüssten nicht, ob wir durchkommen würden... Wir suchen nachher nach Sand und können ihn trotz Brille nicht finden, ausserdem fahren die Leute hier mit ihren normalen PKW's hin - wir nehmen an, dass die Ranger einfach möglichst wenig Leute auf ihren Pisten haben wollen.



Die Wanderung führt zuerst ein trockenes Flussbett entlang, man marschiert im Stil "zwei Schritte vorwärts, einer zurück" und kommt und kommt nicht vorwärts. Plötzlich verengen sich aber auch hier die Felswände und man steht mitten in wunderschön geschwungenen und ausgefrästen Sandsteinwänden. Bald erreicht dieser Seitencanyon die Buckskin Gulch, wo man an den Wänden noch einige Petroglyphs (indianische Felszeichnungen) bewundern kann.



Wir schaffen am ersten Abend gerade noch 100 Meter, dann stoppt uns ein undurchsichtiger, brauner Tümpel. Zwei Wanderer, die uns mit nassen Jeans und völlig verschlammten Sandalen entgegenkommen, meinen, wir sollten möglichst alte Schuhe anziehen, die Wasserpfützen würden immer tiefer, je weiter man in der Schlucht vorstosse. Also beschliessen wir, die Übung abzubrechen und am nächsten Morgen besser ausgerüstet wiederzukommen.



Zum ersten Mal kommen nun unsere Taucherschuhe in Einsatz. Vor der ersten Pfütze verstecken wir die Wanderschuhe hinter einem Felsen und zwängen uns in die Gummischlappen. Schon hier merken wir, dass das Wasser eisig kalt ist, dazu kommt noch, dass wir in kurzen Hosen unterwegs sind und in diese engen Canyons selten Sonne bis auf den Grund scheint. Die Pools werden immer tiefer, was man aber erst merkt, wenn man hindurchstiefelt. Man tastet mit einem Stock den Untergrund ab und bewegt sich möglichst auf Steinen fort, der Schlamm ist zu glitschig und man sinkt tief ein. Bald frieren uns fast die Füsse ab und die Beine sind plötzlich ganz schön "braun gebrannt".



Leider kann man mit den Bildern nicht auch die Temperatur des Wassers mitliefern, eisig ist jedoch nur das Vorwort, v.a. wenn man alle 20 Meter einen halben See durchqueren muss. Dafür ist die Schlucht umso beeindruckender, hinter jeder Ecke verbirgt sich neue Schönheit, oben werden die Wände von der Sonne angestrahlt, das Licht reflektiert auf die gegenüberliegende Wand und erzeugt die schönsten Farbtöne von hellem Gelb, über alle Varianten von Orange und Rot bis zu dunklem Braun und Grau. Weit oben erblickt man ab und zu etwas blauen Himmel, ein Canyon Wren singt sein Lied (das klingt, als ob ihm jedesmal die Batterie ausginge), noch etwas kältestarre Lizards in der Farbe des Sandes warten auf etwas Sonne und eine kleine Wasserschlange schlängelt sich durch den Canyon. Es herrscht absoluter Friede hier unten, wenn nicht ab und zu Flugzeuglärm aus der Ferne zu vernehmen wäre, der einem jedesmal einen kleinen Schrecken einjagt, weil er für uns Ähnlichkeit mit dem Geräusch von heranbrausendem Wasser hat - Flashfloods (d.h. es regnet kräftig in einem auch weit entfernten Gebiet, das Wasser sammelt sich dann und schiesst plötzlich durch einen dieser Slot Canyons) sind in diesen engen Gebilden kein Vergnügen.



Es sind Schlamm-, Wasser- und Steinmassen, die bis zu 4 Meter hoch herangerollt kommen und alles mit sich reissen, was sich ihnen in den Weg stellt. Die steilen, engen Wände geben einem auch keinerlei Möglichkeiten, den reissenden Fluten zu entkommen.



Wir besuchen noch einige andere Slot Canyons, u.a. auch Little Death Hollow, von dem uns vorgeschwärmt wurde. Dort marschieren wir in brütender Hitze runde 10 Kilometer weit und können einfach keinen richtigen Slot Canyon entdecken. An sich wäre die Schlucht wirklich schön, richtig grün, übersät mit "Honeycombs" (kleinere und grössere Löcher im Sandstein), mit schönen Felsgebilden und wirklich einsam, doch wir haben einfach etwas anderes erwartet.



Die beiden schönsten Slot-Canyons aber entdecken wir an der Hole-in-the-Rock Piste, nämlich Peek-a-boo und Spooky Gulch (siehe auch das Foto von Julia unter der Rubrik "über uns").



Wir steigen zweimal durch besagte Slots hindurch, weil es praktisch unmöglich ist, grosse Rucksäcke mit z.B. Fotoausrüstung mitzunehmen. Zuerst steigt man über Slickrock (sehr griffiger Sandstein) und Sanddünen in ein Tal hinab, wo sich dann sehr unscheinbar die Einstiege in die zwei Slots befinden. Peek-a-boo ist nur etwa 200 Meter lang, dafür aber wunderschön geformt und mit zwei Steinbögen versehen. "Technisch" gesehen ist es nicht sonderlich schwierig, es geht mit der schon üblichen und bekannten Kletterei und Durchzwängerei, nur die Rucksäcke muss man sich immer wieder an engen Stellen durchreichen. Spooky Gulch dagegen ist schon anderen Kalibers. Urplötzlich steht man zwischen etwa 40 Meter hohen Felswänden und einige Meter später bleibt Martin schon stecken.



Alles Bauch-Einziehen nützt nichts: Der Brustkasten ist zu breit. Für normal gebaute Frauen ist die Stelle kein Problem - ausser man ist so dick, wie eine Amerikanerin, die wir fasziniert beobachten, wie sie versucht, sich durch die enge Stelle zu zwängen, und hoffnungslos steckenbleibt !



Es hilft alles Probieren nichts, die Stelle ist für Martin nur auf allen Vieren zu bewältigen, natürlich musst man sich die Rucksäcke hindurch reichen. In diesem Stil geht's weiter, die Schlucht gönnt einem keine Verschnaufpause, für Angsthasen und Klaustrophobiker kein ideales Pflaster. Natürlich haben auch wir den Himmel vorher nach Regenwolken abgesucht... Und schauen immer wieder auf den Boden, weil hier auch schon Klapperschlangen gesichtet worden waren. Was sich in dieser Schlucht aber dem Auge bietet, ist einfach phantastisch: wunderschön rund geschliffene Felsen in allen verschiedenen Rottönen, die sich über eine schier endlose Strecke hinziehen (auch wenn dieser Slot-Canyon auch nur gerade mal ein paar hundert Meter lang ist), absolute Stille, selten der Ruf eines "Batterie-Vogels", Hunderte von Weberknechten an den Wänden, kleine Vogelnester mit Eiern oder jungen Vögelchen drin (riesiger Schnabel und etwas Flaum auf dem Köpfchen), es ist jedoch v.a. ein Fest der Formen und Farben, die je nach Sonnenstand immer wieder anders sind.



Wir sind davon überzeugt, dass uns die Slot-Canyons eines Tages wiedersehen werden.



Mai 1998



Julia Etter & Martin Kristen