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Ein neuer "Alki"-Bericht...



Napa Valley und Sonoma kennt jedes Kind. Doch spätestens seit dem Film "Sideways" bekommen auch andere Weinanbaugebiete in Kalifornien die Anerkennung, die sie verdienen. Einige freuen sich darüber, andere fürchten, dass mit der Berühmtheit auch Prominente kommen und es mit der Ruhe bald vorbei sein wird.



Wieder einmal besuchen wir unsere Freunde in Atascadero und haben genügend Zeit, die Weingüter in der Umgebung zu besuchen. Die Gegend zwischen Paso Robles und Santa Barbara ist schon seit längerem ein Geheimtip unter Weinliebhabern. Schmale Strassen winden sich durch die sanften gelben Hügel rund um Paso Robles und immer wieder kündigt ein Schild ein verstecktes Weingut an. Oft sind es alte Farmhäuser mit Holzveranden und bunten Blumengärten. Uralte, riesige Eichenbäume spenden Schatten und Kühle in den heissen Sommermonaten. Viele Familien hier verkaufen nicht nur ausgezeichneten Wein, sondern auch Baumnüsse, biologisches Gemüse, hausgemachte Marmeladen und Honig von eigenen Bienenstöcken. Natürlich gibt es auch die grösseren Weingüter, die eher schon einem Souvenirshop gleichen. Die Besucher kommen teils in grossen Bussen, degustieren Wein und verlassen die Lokalität mit Duftkerzen, Wasabi-Senf, Trüffelhonig, bunt bedruckten Tischsets und Servietten, T-Shirts oder mit dem Namen des Weinguts bestickten Kappen.



Im Santa Ynez Valley sind Orte wie Buellton, Solvang und Los Olivos schon sehr bekannt. Solvang beispielsweise sieht wie eine in die USA verpflanzte skandinavische Siedlung aus, inklusive Windräder und allem was dazu gehört. Dieser Ort ist hierzulande auch unter dem Namen "Dänische Hauptstadt der USA" bekannt - eine für dieses Land typische Uebertreibung. Die ganze Gegend beheimatet hübsch restaurierte kleine Ortschaften mit vielen Souvenirshops, Galerien, Weingeschäften und natürlich kleinen Restaurants und Bars, wo man lokalen Wein und andere typische Spezialitäten gleich probieren kann. Kulturorientierte Touristen können sich in Santa Ynez eine alte Missionskirche der Franziskaner anschauen, die um 1800 herum erbaut wurde. Danach begibt man sich am besten auf eine kleine Tour durch das Santa Ynez Valley, dessen Klima ideal für die Produktion von Chardonnay und Pinot Noir ist. Unsere Tour startet in Los Olivos. Durch ursprüngliches Weideland mit Eichenbäumen fahren wir entlang der Zaca Station Road und zur Foxen Canyon Road. Ein in der Gegend eher bekanntes Weingut ist Firestone Vineyard, dessen Sauvignon Blanc uns besonders gut schmeckt. Etwas abseits der Strasse finden wir die Zaca Mesa Winery, wo wir eine Bekannte unserer Freunde besuchen und eine kleine Spezialtour bekommen. Unsere Fahrt endet in der Nähe von Santa Maria, wo wir als letzte Besucher des Tages die Cambria Winery besuchen und mit dem Verantwortlichen ins Gespräch kommen. Er ist begeistert von unseren Schweizer Weinen, v.a. dem Pinot Noir, der auch eine Spezialität dieses Weingutes ist. Da wir aus der Schweiz sind, bekommen wir auch einige Pinots vorgesetzt, die normale Besucher nicht zu probieren bekommen. Die meisten übersteigen unser Budget bei weitem und kosten um die $50. Als krönenden Abschluss serviert uns der nette Mann einen besonderen Pinot Noir. Er stammt von "Julia's Vineyard", ist über 15 Jahre alt und da können wir natürlich nicht nein sagen.



San Luis Obispo ist natürlich auch einen Besuch wert. Hier gibt es eine alte, sehr schön restaurierte Missionskirche der Franziskaner, die um 1770 herum vom berühmten Junipero Serra erbaut wurde. Downtown SLO, wie die Stadt gerne von ihren Einwohnern genannt wird, ist zu Fuss schnell erkundet. Trotz dem Einzug von verschiedenen amerikanischen Ladenketten wie Banana Republic und Pottery Barn besteht der Stadtkern immer noch aus vielen kleinen Geschäften mit tollen Auslagen, die einen gewissen europäischen Charme haben. Am Donnerstagabend wird eine Hauptstrasse für den Verkehr gesperrt und lokale Bauern verkaufen auf dem Farmer's Market ihre Produkte, Musiker erfreuen die Besucher mit Jazz, Rock und Blues und man schlendert schwatzend durch beissende und doch so wohlriechende Rauchschwaden, die grosse Barbecue-Stände verbreiten. Wer politisch aktiv werden will, kann der republikanischen Partei beitreten, oder noch besser die Demokraten unterstützen. Eine Frau betet still für alle abgetriebenen Babies der Welt, und ein Althippie protestiert gegen den Irakkrieg. Ein unscheinbarer Mann, der eher wie ein Vertreter einer Haushaltsgerätefirma aussieht, wirbt auf einem grossen Plakat für Jesus und die Rettung der Welt. An verschiedenen Strassenständen kann man seinen knurrenden Magen mit internationalen Köstlichkeiten füllen. Besonders beliebt sind natürlich die gegrillten Schweinerippchen, die man am Gehsteigrand hockend verzehrt. Natürlich gibt es auch rund um San Luis Obispo herum einige bekannte Weingüter. Einer unserer Favoriten ist die Edna Valley Winery, wo uns besonders deren Chardonnay und Syrah schmeckt. Bei Claiborne & Churchill, bekannt für Weissweine wie Riesling, Gewürztraminer und Pinot Gris, unterhalten wir uns mit dem Eigentümer, der gerade von einem Besuch in der Schweiz zurück ist und vom Schweizer Wein schwärmt. Schweizer Wein scheint bei den kalifornischen Weinproduzenten sehr beliebt zu sein. Doch wenn immer wir den Schweizer Wein bei Freunden hier erwähnen, machen sie grosse Augen. Sie haben anscheinend noch nie davon gehört, dass die Schweiz ausser Uhren, Käse und Schokolade auch ausgezeichnete Weine produziert. Eigentlich kein Wunder, denn Schweizer Wein ist in den USA leider nicht zu kaufen.



Paso Robles ist der nächste und letzte Stop auf unserer Weintour. Die Tour beginnen wir in Templeton, wo wir uns im hübschen "Ian McPhee's Grill" ein kleines Mittagessen gönnen. Hier hat man die Qual der Wahl zwischen mit Entenfleisch gefüllten Quesadillas, asiatisch mariniertem Thunfisch, Hamburgern mit kalifornischem Blauschimmelkäse, und vielen Köstlichkeiten mehr. In der Umgebung gibt es viele hübsche Weingüter, so z.B. Wild Horse, wo fast jeder Wein bis vor kurzem ausgezeichnet schmeckte. Heute sind wir uns nicht mehr so sicher, da das Weingut anscheinend an eine grosse Kette verkauft und damit natürlich auch der Oenologe ausgewechselt wurde - ein eventuell schlechtes Zeichen für die Qualität des so bekannten Weines.



Schon eine kleine Rundfahrt vorbei an Farmhäusern, Weinbergen, Pferdeweiden, durch Eichenhaine und gelbe Wiesen, ist ein wunderschönes Erlebnis für sich. Und wenn man sich die kleineren Weingüter aussucht, kann man nette Ueberraschungen erleben. So zum Beispiel bei "Laura's Vineyard", wo wir einen unserer Lieblinsgweine, einen 100% Cabernet Franc zu einem erschwinglichen Preis finden. Zu unserem grossen Erstaunen haben sie seit unserem letzten Besuch eine Degustationsgebühr von einem Dollar eingeführt. Auf unsere diesbezügliche Frage erhalten wir die Antwort, dass es viele Leute gebe, die vor dem Nachtessen schnell mehrere Weingüter besuchen, bei jedem Gut ein Glas Wein degustieren und dann zu ihrem Abendessen fahren würden. Dass ein solches Verhalten natürlich nicht sonderlich goutiert wird, das ist zu verstehen. Weinproben sind schliesslich dazu da, sich von der Qualität eines Weines überzeugen zu lassen und nicht, um einfach gratis zu ein paar Glas Wein als Aperitif zu kommen. Eine andere Ueberraschung ist das Pipestone Vineyard, das etwas abseits der Hauptstrasse versteckt auf einem Hügel sitzt. Auch dieser Weinproduzent schwärmt von den Schweizer Weinen und produziert selber ausgezeichneten Wein. Es ist ein kleiner Familienbetrieb, wo alle mitarbeiten. Im kleinen Raum, wo wir den Wein degustieren, werden auch eigene Baumnüsse und Mandeln und hausgemachte Marmeladen angeboten. Unter den grösseren Weinproduzenten gefällt uns besonders die Eberle Winery, wo u.a. ausgezeichneter Syrah und Muscat Canelli produziert wird. Das Weingut liegt auf einem Hügel und man überblickt die umliegenden Weinberge nahe Paso Robles.



Wer genug vom Wein hat, der kann in der Gegend auch gutes Bier degustieren. So z.B. bei Firestone, einer lokalen Bierbrauerei in Paso Robles. Und wenn man wie wir zur richtigen Zeit hier ist, kann man endlich auch einmal ans Oktoberfest gehen. Da wir es im September nie nach München geschafft haben, zugegebenermassen, wir haben es auch nie so richtig gewollt, versuchen wir unser Glück nun hier im "Old Vienna" Restaurant in Pismo Beach. Das Menu ist normalerweise etwas grösser, doch fürs Oktoberfest wurde es etwas zusammengeschnitten. Die Tische sind mit Tischtüchern in den bayrischen Nationalfarben gedeckt, Fahnen mit Bierwerbung hängen von der Decke und es gibt sogar eine Band, die allerdings aus lauter Amerikanern besteht, die nicht viel mehr als "sprecken sie deutsch" auf deutsch sagen können. Aber das macht alles nichts, Hauptsache die Stimmung ist gut. Wir sind mit einer ganzen Gruppe von Freunden unterwegs und werden immer wieder mitleidig gefragt, ob wir es noch ertragen. Bald stellen auch sie fest, dass die ganze Angelegenheit mehr mit Disneyland als Oktoberfest zu tun hat, doch wir unterhalten uns köstlich. Das Essen lässt für uns Heimweheuropäer etwas zu wünschen übrig, doch die Amis wissen es ja auch nicht besser. Eigene hausgemachte Schnitzel und Gulasch mit Knödeln schmecken eben immer noch am besten, und so ist für das nächste Wochenende auch schon ein grosses Essen mit österreichischen Spezialitäten geplant.



Juni-September 2005



Julia Etter & Martin Kristen