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Arbeiten in der Bruchbude



Das hübsche Häuschen haben uns unsere beiden Freunde Kristin und Blair schon vor drei Jahren von aussen gezeigt, nur so beim Vorbeifahren. Seit rund zweieinhalb Jahren wohnen sie nun darin und als wir Mitte Juli dieses Jahres bei ihnen eintreffen, da trifft uns schier der Schlag ! Das Wohnzimmer, ausser dem Fussboden, ist bewohnbar, muss aber mit einer Barrikade aus Stühlen gegen ihre drei herumstreunenden Hunde abgesichert werden. Das eigene Schlafzimmer ist ebenfalls bewohnbar und das dazugehörende Badezimmer ist funktionsfähig. Ansonsten ist alles in einem (gelinde gesagt) eher unfertigen Zustand, die Teppiche herausgerissen, die Tapeten von den Wänden gekratzt und überall stehen Kisten mit persönlichem Kram herum. Die Veranda ist vollgestellt mit Kisten, der erste Stock befindet sich im Urzustand. Na prost !



Den Leuten muss geholfen werden, das war unsere erste Feststellung !



Und so krempeln wir also die Ärmel hoch, lassen uns kurz erklären, was wie zu machen ist, besorgen die nötigen Arbeitsmittel und beginnen, die Wände des ersten Stockes zu verputzen. Keine einfache Aufgabe, wenn man sowas noch nie gemacht hat. Wir können aber bald feststellen, dass wir gelehrige SchülerInnen sind. Was bei der ersten Wand ein Problem darstellt, ist bei der zweiten Wand keines mehr und wir beginnen richtiggehend Spass daran zu haben.



Gottseidank fällt es uns doch noch rechtzeitig ein, Kristin und Blair danach zu fragen, ob sie denn nicht zusätzliche Steckdosen in ihren Büros und den Schlafzimmern brauchen würden und ob ein Telefon- und Daten-Netzwerk denn nicht eine tolle Sache wäre. An solche Dinge sollte man nämlich denken, bevor die Wände verputzt und gestrichen sind...



So besorgen wir also die richtigen Kabel, die Steckdosen, die richtigen Steckverbinder und machen uns ans Werk. Da müssen Wände mit der Kreissäge geschlitzt werden, um die neuen Kabel darin unterzubringen. Da werden Löcher gestemmt, um die Montagekistchen für die Steckdosen einzupassen. Aus einem dieser gestemmten Löcher kommt uns eine richtiggehende Lawine von trockenen Eicheln entgegen, die fleissige Eichhörnchen im Laufe der Jahre (das Haus ist schliesslich runde 100 Jahre alt) gesammelt haben und die vom Estrich aus irgendwie in die Luft-Zwischenräume der Wände gefallen sind.



Überhaupt sind wir erstaunt über die amerikanische Hausbau-Technik. Das ganze Haus basiert auf einem Holz-Gerüst, auf das schmale Latten genagelt wurden, die dann verputzt und gestrichen wurden. Die meisten Wände können so ganz einfach weggenommen und woanders wieder aufgebaut werden, ohne die statische Sicherheit zu beeinträchtigen. Zwar macht alles keinen sonderlich stabilen Eindruck, wenn man einmal weiss, was hinter der hübschen Fassade steckt, aber es ist sicherlich weniger aufwendig zu bauen und damit auch billiger in den Gestehungskosten.



Nach einer ersten Lage des Verbundstoff-Verputzes, den wir zuerst einmal richtig trocknen lassen müssen, werden die Ecken mit einem speziellen Spachtel verputzt und dann werden die Unebenheiten herausgeschliffen. Eine mühselige, zeitraubende Arbeit, die noch dazu an die Lungen geht. Die Staubentwicklung ist beachtlich und nach einer solchen Aktion gibt es nichts anderes als einen längeren Besuch in der Dusche ! Doch nach mehreren Tagen sehen die Wände immer glatter, weisser und professioneller aus. Die für die Kabel gefrästen Schlitze sind verputzt und verschwinden völlig. Keine schlechte Leistung für Hobby-Botaniker und Unimog-Freaks !



Überhaupt kommt uns unser Nomadenleben und die Flexibilität, mit verschiedenen Situationen umzugehen und trotzdem Spass zu haben, hier sehr zugute. Während unserer Arbeitszeit wird die Küche total herausgerissen, so dass wir eine ganze Weile lang im Unimog kochen oder draussen grillen und im Lavabo im Badezimmer abwaschen. In ebendiesem Badezimmer schafft es Kristin sogar, ein ausgezeichnetes Mahl zu zaubern.



Dann ziehen wir Kabel ein und montieren die Kabeldosen vor dem endgültigen letzten Verputz. Dabei müssen wir in den Estrich, der belegt ist mit Steinwolle-Platten und den man nur auf den Stützträgern des Hauses begehen sollte, ansonsten man durch die Decke zu fallen droht. Jeder Schritt wirbelt Wolken von feinem Staub auf und man kann hier nur mit aufgesetzter Atemschutzmaske arbeiten. Wir müssen Löcher durch den Deckbalken über den Wänden bohren, um Zugang zu dem Innen-Luftraum der Wände zu bekommen. Was sich als schier unüberwindbare Aufgabe herausstellt, da die Bohrmaschine zu schwach ist. Doch mit der von Handwerkern (die gerade dabei sind, den Wohnzimmer- und den Küchen-Boden zu legen) ausgeliehenen professionellen Maschine geht das im Nu.



Blair legt sich einen Netzwerk-Router zu, der an seiner Kabel-Internetverbindung angeschlossen Zugang auf das Internet für maximal 4 Computer im ganzen Haus gewährleistet. Ich verbinde alle Verkabelungen und wir sind dann alle sehr positiv überrascht, dass das Netzwerk auf allen Anschlüssen funktioniert, dass die Telefone überall wie geplant klingeln und dass der Strom wie vorgesehen fliesst.



In einem weiteren Schritt werden die Wände versiegelt, nochmals nachgebessert und letztendlich auch gestrichen. Wobei es Kristin immer grosse Probleme bereitet, die richtige Farbe für den nächsten Raum auszusuchen. Verständlich, wenn man sieht, wie ein Farbmuster auf einem Zettelchen von 5cm Kantenlänge aussieht und dies dann mit der Farbe vergleicht, die einen ganzen Raum ausfüllt. Doch wir haben Glück ! Kristin ist mit ihrer Farbwahl zufrieden und auch uns gefällt es sehr gut. Als letzter Raum des ersten Stockes wird Blairs Büro in "fröhlichen" Farben (=knall-orange an zwei Wänden) gestrichen, womit wir uns auch erst etwas anfreunden müssen.



Dann schleifen wir noch in zwei Räumen die Fenster-, die Tür-Rahmen und die Teppichleisten mit einer Schleifmaschine, versiegeln und streichen diese Teile auch weiss, sodass nur noch der richtige Fussbodenbelag fehlt. Und wenn alles gut geht, in ein paar Wochen die geplante neue Küche installiert ist, die Fussböden im Parterre versiegelt und im ersten Stock gelegt sind und die drei Hunde nicht mehr ins Haus gelassen werden und ihren Schmutz nicht mehr feinsäuberlich überall verteilen können, dann freuen wir uns schon auf unseren nächsten Besuch bei Kristin und Blair !



Den beiden wird aber die Arbeit sicherlich nicht ausgehen, denn es wird noch der ganze Garten zu machen sein und Blair möchte im Keller (dem "Verlies") noch ein Heim-Theater mit Gross-Fernseher integrieren. Wir sind gespannt darauf, wann uns die Erfolgsmeldung zugehen wird !


August 2002



Julia Etter & Martin Kristen