travelog 43

Wie man eine Hinterachse wechselt
"The crate from Hell", unsere 700kg schwere Holzkiste mit einer neuen Hinterachse und diversen Ersatzteilen, ist endlich angekommen ! Ungefähr zeitgleich mit dem Winter hier in Prescott, Arizona.
Nun werden sich einige wahrscheinlich wundern, weshalb wir bei einem "neuen" Fahrzeug eine neue Hinterachse einbauen. An diesem neuen Fahrzeug haben in den USA und Kanada schon diverse Leute, Mechaniker und solche, die glauben es zu sein, herumgeschraubt und ab und zu leider auch -gebastelt, so dass wir jedes Jahr Simmeringe, Lager, Bremsscheiben, etc. ersetzen mussten. Und mit jedem Ersatz bastelte ein neuer Pseudo-Mechaniker an der Achse herum, was die Sache nicht besser machte. So stellte es sich im Endeffekt als viel billiger heraus, eine ganz neue Achse von Deutschland nach Arizona zu schippern, als jedes Jahr am Gebastel anderer Leute herumzuflicken.
Bestellt und verschifft war die Achse relativ schnell. Sie kam auf dem Seeweg, weil nach dem 11. September der Flugverkehr erst einmal stillstand. Bald mussten wir Kontakt aufnehmen mit Sandra, die für die Firma Schenker in Phoenix die Verzollung erledigt. Wie sich bald herausstellte, schien Sandra eher für den amerikanischen Zoll als für uns zu arbeiten. Die Sache gestaltete sich deshalb äusserst schwierig... Einer von uns musste von einem öffentlichen Notar beglaubigen lassen, dass er wirklich die Person sei, die er vorgab zu sein. Der Notar wohnte glücklicherweise gleich bei Thilo um die Ecke. Ausserdem fand er unser Auto ganz toll und war sowieso der Meinung, dass der amerikanische Zoll nicht unschuldige Schweizer Touristen, sondern eher böse arabische Terroristen jagen sollte. Mit jedem Papier, das wir faxten, musste ein neues Papier ausgefüllt und zurückgeschickt werden. Als Krönung mussten wir auch mit einer Unterschrift bestätigen, dass die 20 Liter Getriebeöl (die es von dieser Marke in den USA nicht zu kaufen gibt, die allerdings von Mercedes vorgeschrieben wird), auch wirklich ungiftig seien. Man war versucht, den Beamten mitzuteilen, dass das Öl sehr wohl giftig sein könne, wenn man es nämlich trinken würde. Schliesslich bekamen wir aber dann doch den Bescheid, dass die Achse endlich durch den Zoll gelassen wurde und auf dem Weg nach Prescott sei.
Am Montag, 3. Dezember 2001, bleibt die Garage geschlossen. Wir wollen alle ganz konzentriert sein, wenn wir die alte Achse ausbauen, um möglichst keine Kabel und Leitungen zu verwechseln. Alles wird fein säuberlich angeschrieben und markiert, um beim Einbau der neuen Achse nicht rätseln zu müssen, welche Leitung nach wohin führt. Draussen tobt ein Schneesturm, der bald alles in totales Weiss hüllt. Drinnen ist es angenehm warm - nicht nur wegen der auf Volltouren laufenden Heizung, nein, auch wegen der anstrengenden Körperarbeit, die wir leisten müssen. Meistens sind wir beide nur Zuschauer, ab und zu auch Handlanger. Die grösste Arbeit verrichten Thilo und Beau, sie haben ja auch die grössere Erfahrung in solchen Sachen. Zwar repariert Thilo eigentlich nur kleinere Fahrzeuge, alte Militär-Unimogs und Pinzgauer, doch da uns in Deutschland verschiedentlich versichert wurde, dass der Einbau einer neuen Hinterachse keine grosse Hexerei sei, haben wir Thilo davon überzeugen können, doch bei unserem Fahrzeug Hand anzulegen. Sogar die Leute in Gaggenau haben uns versichert, dass wir dazu keine Spezialwerkstatt von Mercedes (die wir hier eh nicht gefunden hätten...) aufsuchen müssen. Ausserdem haben wir ja die ganzen Reparaturanleitungen auf Microfiche dabei, was soll denn da noch schiefgehen können !? Vieles, wie wir bald feststellen dürfen - doch alles der Reihe nach !
Mit vier Wagenhebern wird unser PocoLoco am Rahmen aufgebockt. Weitere Wagenheber unterstützen die alte Achse, während langsam und sorgfältig alle Teile abgebaut werden. Thilos Werkstatt ist eine wahre Fundgrube an nützlichen Dingen und so finden wir praktisch alles, was wir zum Ausbau der alten Achse benötigen. Fehlt der passende Schraubenschlüssel, wird ein neuer gebaut, mit dem man garantiert auch in die hinterste versteckte Ecke kommt. Mit dem Gabelstapler wird die alte Achse neben die neue Achse gefahren, um hier neben dem Auto alle Leitungen wieder anzubauen.
Doch, oh Schreck, die beiden Achsen sehen an zwei Stellen völlig unterschiedlich aus ! Aus dem "mit links"-Job wird eine grössere Geschichte. Erst müssen wir mit Deutschland Kontakt aufnehmen, wo natürlich alle schon tief und fest schlafen, als wir die Unterschiede feststellen. Dort wird uns am nächsten Tag versichert, dass sich am Prinzip des Differentials nichts geändert hat, es wurde nur einfach in die Achse integriert. Die Entlüftungsschraube ist glücklicherweise auch etwas kleiner geworden - und natürlich nicht mit der neuen Achse mitgeliefert. Das Abklappern aller Autozubehörteileshops und diverser Garagen, die ausländische Fahrzeuge reparieren, bringt nicht viel. Aus einem VW bekommen wir immerhin die richtige Entlüftungsschraube, doch der Ringnippel ist beim besten Willen nicht aufzutreiben. Der beste Rat, den wir bei einer Garage bekommen, ist: "Fahrt doch mal bei Thilo vorbei, der könnte sowas haben !".
Nun muss also in Thilos Garage eine passende Entlüftungsschraube mit Ringnippel hergestellt werden. Ausserdem müssen Leitungen verlängert werden, weil das Differential an einer anderen Stelle angebracht wurde. Und natürlich ist auch hier der Anschluss völlig verschieden und natürlich handelt es sich um einen metrischen Anschluss, für den es in Amerika (wo ja sowieso alles in "Standard" gebaut wird) kein passendes Anschlussstück zu kaufen gibt. Wir sind froh, dass wir in unserem schier unerschöpflichen Ersatzteil-Fundus das passende Stück finden. Als wir all diese Hürden genommen haben, geht es endlich wieder an den Einbau der neuen Achse. Wir sehen uns praktisch schon in Mexico...
Alles zusammenzubauen ist wirklich keine grosse Hexerei. Bis wir am Freitagmittag feststellen, dass uns aus Deutschland für den Stabilisator nur ein Teil zur Befestigung an der Achse mitgeschickt wurde. Also wollen wir logischerweise unser altes Teil für die zweite Seite verwenden, doch da dürfen wir jetzt feststellen, dass sich auch der Achsdurchmesser verändert hat und somit unser Teil gar nicht mehr passt ! Sehr praktisch ! In Deutschland sind glücklicherweise schon alle im Wochenende und so können wir nur veranlassen, dass am Montag möglichst schnell dieses fehlende Teil besorgt und auf dem schnellsten Weg in die USA verschickt wird.
Zwei weitere Wochenenden im schönen Prescott stehen uns bevor. Das Städtchen und die Gegend sind zwar sehr hübsch, doch wir wissen bald nicht mehr, was wir hier noch tun können. Ausser dass uns pro Wochenende je ein Schneesturm überrascht, der die Agaven in ein weisses Kleid hüllt, passiert nichts aufregendes. Nachts fallen die Temperaturen schon mal auf -13,5° Celsius, was nicht unbedingt unserem Verständnis von Camping entspricht. Als wir schliesslich noch herausfinden, dass unsere Kontaktperson in Deutschland das fehlende Teil mit der normalen Post (!) geschickt hat, und das ausgerechnet während der Weihnachtszeit, geht uns die letzte Geduld aus. Wir wollen uns auf den Weg nach Tucson machen, wo wir Leute kennen und von wo wir auch wissen, dass es nicht so kalt wie in Arizonas Hochland sein würde.
Die Post arbeitet wirklich schlampig, da nützt es auch nichts, dass unser Paket Express, versichert, etc. verschickt wurde. Über's Internet können wir auf der Webseite der Deutschen Post nichts herausfinden. Telefonisch wird unserem Kontaktmann bei der Post beschieden, dass seit dem 11. September eben jedes Paket geöffnet wird vom Zoll. Der 11. September scheint überhaupt für vieles herhalten zu müssen... Nun verbringen wir eben Weihnachten und Neujahr in Tucson, wo wir die Zeit mit einem jungen deutsch-kanadischen Paar verbringen, das mit dem Fahrrad von New Orleans bis nach Winnipeg (Kanada) radelt, wo sie sich dann niederlassen wollen. Andreas hat bis vor kurzem bei der Firma Unicat (die Firma, die unseren PocoLoco gebaut hat) gearbeitet und so erledigen wir eben einige Kleinigkeiten an unserem Auto, wir wollen ja keine Langeweile aufkommen lassen.
Das neue Jahr beginnt sehr verheissungsvoll für uns: das lange erwartete Paket hat seinen Weg trotz aller Widrigkeiten nach Prescott gefunden. Von dort muss es nur noch nach Tucson geschickt werden, wo wir unser Glück nach drei Wochen Wartezeit kaum fassen können, dass die Teile auch wirklich passen ! Nun hält uns nichts mehr in den USA; wir sind endlich unterwegs nach Mexico !
Dezember 2001
Julia Etter & Martin Kristen
|