travelog 31

Zu Besuch beim Winnemucca Fire Department
An der Einfallsstrasse begrüssen uns zwei grosse Schilder mit der Aufzählung der 14 verschiedenen ansässigen Kirchen. Für eine Bevölkerungszahl von ca. 6000 Personen eine stattliche Anzahl religiöser Vereinigungen. Winnemucca, benannt nach einem berühmten Paiute Indianerhäuptling, ist zwar auf der Strassenkarte grossartig eingezeichnet, doch in Tat und Wahrheit ist es ein Nest, eine Raststätte für die durchführenden drei grossen Strassen. Die Stadt besteht aus besagten 14 Kirchen, vielen Tankstellen und Garagen, Motels, Schnellimbissrestaurants und natürlich einigen unvermeidlichen Casinos. Sogar in den Supermärkten stehen Spielautomaten, damit sich Vatern die Zeit vertreiben kann, während Muttern einkaufen geht.
Winnemucca scheint eine tote Stadt zu sein. Wer hier wohnt, arbeitet entweder in einem Casino oder, wie viele Mexikaner, in einer der umliegenden Minen, die wegen des sinkenden Goldpreises und der Konkurrenz Australiens langsam dichtmachen. Wer nach Winnemucca kommt, ist auf der Durchreise und braucht Benzin, ein warmes Bett und eine Dusche.
Es ist schon früher Winter in Nevada. Die Berg- und Hügelketten sind mit Schnee bedeckt, morgens klirrt alles vor Kälte und Bäume, Büsche und Gräser sind mit Frostkristallen bedeckt. Alles glitzert in der Sonne, doch es dauert oft nicht sehr lange, bis dieser Zauber geschmolzen ist. Nevada (von "nieve" = Schnee) tut seinem Namen alle Ehre und wir ertragen Temperaturen von bis zu -10° Celsius im Norden des Staates.
Der Grund unseres Besuches ist die Feuerwehrflotte von Winnemucca. Ganz zu Beginn unserer Reise hatten wir in einer kleinen Stadt an der Ostküste der USA von Feuerwehrleuten gehört, dass es in Winnemucca Unimogs gäbe. Seither sind wir immer wieder in der Nähe ("gleich um die Ecke" liegt für die Amerikaner vieles) von Winnemucca durchgefahren, doch erst jetzt gelingt es uns, dieser Stadt wirklich einen Besuch abzustatten.
Auf gut Glück fahren wir beim BLM-Büro (BLM = Bureau of Land Management) vor. Viel ist auch hier nicht los. Nach den grossen Waldbränden im Westen der USA scheinen die Feuerwehrleute ihren verdienten Winterschlaf angetreten zu haben. Wir werden mit Mike Whalen, dem Feuer-Ökologen, bekannt gemacht. Nach einem Feuer versucht er, wieder die einheimische Vegetation anzusiedeln. Er befasst sich mit der eher kargen Pflanzenwelt von Nevada, wie sie gewesen ist, als die ersten Siedler um 1860 hier angekommen sind. Er kennt alle einheimischen Grasarten und versucht, die Verbreitung von nicht einheimischen Pflanzen zu verhindern. In Nevada z.B. macht ein sibirisches Gras (siehe Bild) grosse Probleme. Es kann sich bei guter Bedingung bis zu dreimal jährlich versamen. Es braucht nur wenige Millimeter Erde und extrem wenig Feuchtigkeit, um zu keimen. Das einheimische Gras jedoch versamt sich nur einmal im Jahr und das auch nur unter idealen Bedingungen. Es braucht mehr Erde und bedeutend mehr Regen als das sibirische Gras, um zu keimen. Trotzdem ist Mike optimistisch, dass sein Einsatz eines Tages Erfolg zeigen wird.
Der Stolz der BLM Feuerwehr sind natürlich die Unimogs. Leider ist der grosse U2450L (der gleiche Unimogtyp wie PocoLoco) irgendwo beim Service. Er wurde dafür ausgerüstet, 4000 Liter Wasser und Löschschaum zu transportieren. Ausserdem gehören noch zwei U140 und einige normale Lastwagen und Ford Pickups zur Flotte. Mike ist begeistert von PocoLoco. Die Idee, einen Unimog mit einer gut ausgerüsteten Transportkabine auszustatten, in der Feuerwehrleute ganz nahe an ein Feuer herangefahren werden können, hat er schon gehabt und dies den Verantwortlichen auch vorgeschlagen. Leider scheiterte die Umsetzung jeweils an den Kosten: ein Unimog kostet ebensoviel wie vier Ford Pickup Troop Carriers, die allerdings nur strassentauglich sind. Ein Unimog dagegen könnte die Feuerwehrleute wegen seiner Geländegängigkeit viel näher an einen Waldbrand heranbringen. Doch nun werden sie mit den Fords transportiert und müssen von der Strasse her meist noch 3-4km in voller Ausrüstung marschieren, bis sie endlich an ihrem Einsatzort ankommen. Kein Wunder, dass sie dann oft schon etwas erschöpft sind, wenn sie beim Feuer ankommen. Das Mehr an Lohnkosten scheint bei dieser Lösung auch wenig bis gar nicht berücksichtigt worden zu sein.
Während der Waldbrandsaison sind die Feuerwehrleute Tag und Nacht beschäftigt. Oft werden sie für einige Wochen in den Krisengebieten stationiert. In Winnemucca ist die BLM Feuerwehrmannschaft für ein Areal von rund acht Millionen Acres (= 32'000 Quadratkilometer) verantwortlich, was etwa 1/4 der Fläche des ganzen Bundesstaates Nevada entspricht. Zusätzlich helfen sie bei Bedarf in den Nachbarstaaten Arizona, Kalifornien, Oregon und Utah aus. Mit den Unimogs werden Gräben ausgehoben, die die Ausbreitung eines Brandes stoppen helfen. Die Fahrer der Unimogs werden gut ausgebildet. Mercedes-Benz schickt aus dem Werk Gaggenau Techniker nach Winnemucca, die die Feuerwehrleute in die Feinheiten der Handhabung und der Wartung von Unimogs einweisen.
Nebenbei organisiert Mike die Möglichkeit für russische Feuerwehrleute, in Nevada eine Saison lang in einer amerikanischen Feuerwehrmannschaft mitzuarbeiten. Er selber spricht russisch und hat ein russisch-englisches Wörterbuch für die speziellen Ausdrücke der Feuerwehr erarbeitet.
Mit einer Liste von weiteren Feuerwehren im Südwesten der USA, die Unimogs fahren und dem Versprechen, nächstes Mal mehr Zeit mitzubringen, verabschieden wir uns. Es wird sicherlich nicht unser letzter Besuch in dieser Gegend gewesen sein, bloss dass wir nächstes Mal zu einer anderen Jahreszeit kommen werden, in der man morgens nicht mit rotgefrorener Nase aufwacht.
November 2000
Julia Etter & Martin Kristen
|