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Halloween



Sicherlich haben die meisten in Reiseführern, Bildbänden oder Angeboten von Reisebüros schon etwas vom Indian Summer gesehen, v.a. wahrscheinlich Wälder in den tollsten Herbstfarben und riesige Felder übersät mit grossen orangen Kürbissen. Wir erleben die Vorbereitungen für Halloween bei Freunden in Portland (Oregon) und in Redwood City (Kalifornien), an der San Francisco Bay.



In den Supermärkten kann man schon lange vorher echte Kürbisse, Kostüme und allerlei Kitsch aus Plastik (u.a. auch Kürbisse für die ganz Faulen) kaufen. Die Schaufenster sind herbstlich dekoriert mit Kürbissen, farbigen Blättern, Hexen und Gespenstern.



Für Halloween dekoriert man sein Haus mit geschnitzten Kürbissen, gefälschten Spinnennetzen, auf Besenstielen fliegenden Hexen und Gespenstern. Für das Schnitzen der Kürbisse gibt es extra Anleitungen mit verschiedenen Sujets, besonders beliebt sind Katzen und gespenstische Fratzen und Grimassen. In Redwood City setzen wir uns dann auch einen Nachmittag lang auf die Terrasse und schnitzen drei Kürbisse mit Küchenmessern, kleinen Sägen und Löffeln. Zuerst muss man die ganzen Kerne und etwas vom Fleisch herauskratzen, danach kommt der künstlerische Part. In die hohlen Kürbisse kommen danach Kerzen, die besonders die Grimassen toll beleuchten.



Für den Halloween-Abend sind überall Parties geplant. In San Francisco selber gibt es mittlerweile weltberühmte Umzüge, die einst als In-Tip unter Schwulen und Künstlern angefangen haben. Heutzutage sind alle Hotels lange vorher schon ausgebucht und man verkleidet sich nicht mehr gross, d.h. wenn es das Wetter zulässt gehen die meisten möglichst unbekleidet oder in dünnen Dessous.



Wir werden zu einer Party eingeladen, wo auch Kinder dabei sind. Die Kostüme sind dementsprechend anständig, man kommt als Pirat, Hexe, Doktor und Assistentin, arabisches Mädchen oder ganz einfach mit Masken vor dem Gesicht. Jeder bringt etwas fürs Buffet und eine Flasche Wein mit, das kunterbunte Angebot ist überwältigend. Besonders die WeintrinkerInnen müssen sich an den stets wechselnden Inhalt ihrer Gläser gewöhnen. Die Familie ist gerade im Begriff, einen kleinen Neubau an ihr altes Haus anzubauen, die noch leeren Räume eignen sich deshalb perfekt für Halloween. Für die Kinder gibt es Pizza und Coca Cola, dazu Gespenstergeräusche und schummriges Licht. Nach dem Essen müssen sie durch's Haunted House gehen. Die Mädchen sind alle ganz aufgeregt, einige weinen sogar und weigern sich, in den Keller zu steigen. Im Haunted House werden den armen Mädchen dann im schummrigen Licht getrocknete Aprikosen als recht natürlich anmutende Ohren, ein Blumenkohl als Gehirn und gefüllte grüne Oliven als Augen angeboten. Die Szenerie wird natürlich durch Stroboskop-Licht verschönert, Musik gehört dazu und viel "Huhuuu" von helfenden Erwachsenen.



In einer kleinen Kammer werden den Mädchen dann zwei menschenliebende Hunde auf den Pelz gejagt, die nichts lieber tun, als an einem hochzuspringen und einem das Gesicht zu lecken. Nach 10 Minuten sind sie erlöst und die zweite Gruppe wird durch den Keller geführt. Danach wird noch eine Piñata gespielt, ein ursprünglich mexikanisches Spiel. Ein Kürbis aus Pappmaché wird mit Bonbons und Schokolade gefüllt und aufgehängt. Den Mädchen werden die Augen verbunden und sie dürfen nacheinander mit einem Stock versuchen, den Kürbis aufzuschlagen. Wenn er herunterfällt, stürzt sich die ganze Bande auf die Süssigkeiten und stopft sich möglichst schnell alle Taschen voll. Für die Kinder ist es nun Zeit, langsam ins Bett zu gehen, jetzt kann die Party für die Erwachsenen losgehen. Man vergnügt sich am Buffet und versucht, den besten Wein aus der grossen Flaschenauswahl herauszufischen. Und lange vor Mitternacht überlässt man das Chaos den Gastgebern und begibt sich nach Hause.



Der nächste Tag, ein Sonntag, ist Trick-or-Treat-Tag. Beim Eindunkeln kommen Kinder in kleinen Gruppen oder mit ihren Müttern an die Türe. Eigentlich sollte man sie fragen, ob sie Süssigkeiten (Treat) wollen oder einen Trick vorgeführt (Trick) bekommen wollen. Doch heutzutage erscheinen die Kinder mit grossen Tüten und stopfen diese mit Süssigkeiten voll. Es ist strengstens verboten, Kinder ins Haus einzuladen - wer weiss, ob man nachher nicht eine Klage wegen Kindesmissbrauch am Halse hat. Selbstgebackener Kuchen oder Carameläpfel sind auch verpönt - man kann ja nicht wissen, ob nicht ein Irrer Rasierklingen oder Gift darin versteckt hat. Das klingt alles etwas irr, doch tatsächlich geschehen an jedem Halloween immer wieder solche "Unfälle". Da unsere Freunde in einer nicht gerade kinderreichen Gegend wohnen, können wir unseren Abend ohne viel Unterbrechung geniessen.



Am nächsten Tag dann liest man die Horrorgeschichte über einen Mann, der versucht hat, einen Jungen mit einem Baseballschläger zu erschlagen, als der bei ihm an der Haustüre klingelte. Und man verräumt alle Dekoration wieder und die Kürbisse wandern in den Abfalleimer. In den Geschäften werden die Schaufenster nun für Weihnachten dekoriert, obwohl wir erst den 1. November schreiben !



November 1999



Julia Etter & Martin Kristen