travelog 19






Gone Fishin'



Die ganzen Vorbereitungen und die Anfahrt sind typisch amerikanisch und nehmen fast mehr Zeit in Anspruch als der eigentliche Grund unseres Ausfluges. Zuerst muss am Abend vorher das Boot hergerichtet und hinter's Auto gespannt werden. Am nächsten Tag gibt es dann zur Stärkung ein grosses Frühstück mit Eiern, Speck, Bratkartoffeln und Toast, dazu brown water (für alle die, die "Out of Rosenheim" kennen ein Begriff), auf deutsch amerikanischer Kaffee. Das Lokal könnte überall im Wilden Westen stehen, an einer langen Theke sitzen 4 Cowboys mit ihren Hüten und schäkern mit der Bedienung, auf den Tischen Plastiktischtücher, Senf und Ketchup, in einer Ecke die neuesten Zeitungen mit den wichtigsten News (Raub, Mord und Totschlag), auf einer Tafel die Specials für den Tag, Countrymusik aus den Lautsprechern und einige ältere Ehepaare, die genauso früh auf sind wie wir auch.



Zum Detroit Lake fahren wir mit Suzy und Gil, Freunde, die wir vor einem Jahr in Portland kennengelernt haben. Die Fahrt dauert ewig, doch glücklicherweise gibt es unterwegs genug zu sehen. Die Wälder glühen in den schönsten Herbstfarben gelb, orange, rostrot, nur die Nadelbäume sind schön grün. Die Häuser sind für Halloween mit orangen Kürbissen dekoriert. Und das Wetter meint es gut mit uns, obwohl Regen angesagt ist, scheint die Sonne und der Himmel ist bis an den Horizont blau. In einem kleinen Geschäft erstehen wir noch Regenwürmer, Yummi-Yummi für die armen Fische. Der See ist ein Stausee und für den Winter wird Wasser ausgelassen, um Platz für Regen und Schmelzwasser zu machen. Das Ufer sieht richtig gespenstisch aus mit den vielen dunklen Baumstümpfen, die aus dem Sand ragen. Die vielen Stümpfe machen es auch etwas schwierig, das Boot ohne Unfall ins Wasser zu bringen. Danach geht es im Schnellzugstempo Richtung Staudamm, wo Gil die meisten Fische vermutet. Auf einem Sonar sieht man nicht nur die Entfernung zum Seegrund, sondern auch Fischschwärme oder einzelne grosse Fische.



Wir gondeln mit zwei permanent aufgestellten Angeln gemütlich den Baumstämmen entlang, die die Gegend vor der Staumauer absperren. Auf dem Sonarbildschirm sind immer wieder Fische zu erkennen, doch anbeissen tut keiner. Nach einer Stunde wird es dann plötzlich aufregend, natürlich beissen die Fische gerade gleichzeitig an, so dass wir alle Hände voll zu tun haben. Eine Forelle ist zu klein, sie landet wieder im Wasser, wo sie blitzschnell von einer Möwe gepackt wird. Die andere soll später in unsere Pfanne wandern. Sie wird mühsam vom Haken befreit und mit dem Kopf über die Bootskante geschlagen, danach hört sie sofort auf zu zappeln. Nun kommt Martins grosser Moment: er hat sich bereit erklärt, die halbierten Würmer auf den Haken zu fädeln. Dann geht es fast Schlag auf Schlag und wir beschliessen, nur noch in einem gewissen Bereich entlang der Baumstämme hin- und herzudümpeln.



Die Fische, Forellen und kleine Lachse, sind wild auf die Würmer. Manche schaffen es, den Wurm vom Haken zu beissen, ohne gefangen zu werden, andere erwischen nur die silbrigen Metallplättchen, die sie im Wasser anlocken sollen, doch es finden genügend Fische den Weg in unsere Kühlbox, um uns später ein leckeres Abendessen zu bereiten. Meine Aufgabe ist es, bei Gil zu lernen, wie man eine zappelnde, glitschige Forelle möglichst schnell und schmerzlos ins Himmelreich der Fische befördert. Normalerweise haut man ihnen mit einem dicken Holzstab ins Genick. In Ermangelung des Holzes schlagen wir sie nun mit dem Genick über den Bootsrand. Das ist gar nicht so schwierig, wenn man sich nur überlegt, dass die armen Tiere als Nachtessen sehr gut schmecken werden. Die Arbeitsteilung für unsere zukünftigen Fisch-Abenteuer steht also fest. Martin ist für die Würmer zuständig, ich für den Rest, zu deutsch umbringen und ausnehmen. Mit 10 Forellen und einem kleinen Lachs in der Kühlbox, machen wir uns am Spätnachmittag langsam auf den Heimweg.



Natürlich haben wir wieder das Problem, trockenen Fusses ans Ufer zu kommen und das Boot heil aus dem Wasser zu transportieren. Doch vor uns sind noch zwei andere Boote an der Reihe, hier können wir lernen, wie man es ganz sicher nicht tun sollte. Es knirscht und kracht, wenn die Boote auf die Baumstümpfe auflaufen, die Fahrer haben grosse Schwierigkeiten, ihr Auto mit dem Anhänger richtig ins Wasser zu manövrieren und zum Schluss steigen sie mit klatschnassen Schuhen aus dem Wasser. Gil scheint da schon etwas mehr Erfahrung zu haben, er manövriert das Boot perfekt auf den Anhänger und wir sind schnell abfahrbereit.





Der Rückweg zieht sich in die Länge. Wir fahren mit allen Sonntagsausflüglern Richtung Portland zurück. Beim Haus angekommen, muss erst das Boot verstaut und etwas gereinigt werden. Danach können wir uns dem Nachtessen widmen. Die Fische werden in Alufolie auf dem Grill gebraten. In die Bäuche kommen verschiedene frische Kräuter und Zitronenscheiben, dann werden sie noch mit Zwiebelringen und Knoblauchscheibchen und weiteren Zitronenscheiben belegt. Dazu gibt es Reis, Salat und einen Weisswein aus der Gegend. Beim Geniessen der ganz frisch gefangenen Fische vergisst man völlig die unangenehmen Seiten, und wir denken, dass es nicht das letzte Mal gewesen ist, dass wir uns als Fischer versucht haben.



Oktober 1999



Julia Etter & Martin Kristen