travelog 17



Auf Pflanzensuche - Dudleya



Der eigentliche Grund, weshalb wir unbedingt auf die Baja California wollten, sind die vielen interessanten Pflanzen.



Vor allen anderen haben es uns hier die Dudleyen (aus der Familie der Crassulaceen = Dickblattgewächse) angetan, die auf der Baja ihr Hauptverbreitungsgebiet haben. Natürlich besuchen wir auch viele Agaven-Standorte und erfreuen uns an jedem blühenden Kaktus und der restlichen Flora (& Fauna), doch die vielen unterschiedlichen Dudleya-Rosetten können uns so richtig in Begeisterung versetzen.



Zuerst muss man sich etwas an die Landschaft gewöhnen und ein Auge und eine Nase dafür entwickeln, wo ideale Standorte für die Pflanzen sein könnten. Da unternimmt man dann auch viele "unnötige" Wanderungen und Klettertouren, was zwar der schlanken Linie dienen mag, aber in Sachen Pflanzen keine grossen Erfolge zeitigt. Umso grösser ist dann die Freude, wenn man in völlig steinigem und trockenem Gebiet plötzlich die erste Rosette entdeckt oder aus einem Busch ein roter Blütenstand herausschaut. Da die Dudleyen meist auf der Pazifikseite der Baja wachsen, erkunden wir dort auch jede noch so kleine Piste und Sackgasse. Hier leben und überleben diese Pflanzen v.a. durch den pazifischen Nebel, der mit steter Regelmässigkeit morgens und ab und zu auch abends vom Meer heranzieht. Dann sieht die Gegend trostlos und etwas gespenstisch aus, alles tropft und glänzt vor Feuchtigkeit. Doch der Spuk ist schnell vorbei, bald drückt die Sonne durch, die ersten blauen Flecken werden sichtbar und innert kürzester Zeit erscheint einem die Landschaft so trocken wie zuvor.



Mit der korrekten Namensgebung haben sichtlich nicht nur wir so unsere Probleme. In der botanischen Literatur (wir führen sämtliche Erstbeschreibungen der von uns gesuchten Pflanzen - platzsparend auf dem Computer gespeichert und jederzeit einsehbar - mit uns) gibt es unzählige Beschreibungen mit verschiedenen Namen für höchstwahrscheinlich ein- und dieselbe Pflanze, die einfach je nach Standort unterschiedlich aussieht. Da ganz besonders die Dudleyen (wie eigentlich alle Crassulaceen) stark dazu neigen, sich miteinander zu vermischen, führt dies zu Naturhybriden, denen man ab und zu zwar ansieht, von welchen "Eltern"-Pflanzenarten sie abstammen, die aber oft als neue Arten angesehen wurden. Die Verwirrung ist deshalb gross und je länger und intensiver man sich mit diesen Pflanzen beschäftigt, desto verwirrender wird die ganze offizielle Namensgebung und Klassifizierung.



Dudleyen wachsen an den verschiedensten Orten: in kleinen verfestigten Sanddünen, in steilen Felswänden, unter bewehrten Agavenblättern, zwischen Lavageröll, in stachligem Gebüsch oder in Klippen am Pazifik. Manchmal kommt eine Population nur gerade auf wenigen Metern vor, rundherum jedoch ist in weitem Umkreis keine einzige Pflanze mehr zu entdecken. Oft stehen sie zu Hunderten in Felswänden und bilden riesige Kolonien. Einmal entdecken wir in einem engen Canyon eine kleine Gruppe, die weit oben in den Felsen hängt. Eine halsbrecherische Klettertour führt uns zwar zu versteckten Höhlen mit verblassten Felsmalereien, doch näher an die Pflanzen kommen wir nicht heran. So versuchen wir eben mit dem Unimog so nahe wie möglich an die Felswand heranzufahren, um wenigstens vom Dach aus Fotos machen zu können. Ein andermal klettert nur einer von uns in eine Felswand hinauf und meldet dann über Walkie Talkie ob er etwas gefunden hat. Wenn ja, muss eben der andere dann die ganze Fotoausrüstung inklusive Stativ und viel Trinkwasser hochschleppen - wenn er Glück hat, kann er sich aber ganz gemütlich auf ein Lesestündchen zurückziehen.



Ab Mitte April beginnen die meisten Dudleyen zu blühen und die Suche fällt einem dadurch etwas leichter, weil oft gelbe oder rote Blüten gut sichtbar aus dem Gebüsch ragen. Mit die schönsten Dudleyen sind die weiss bemehlten, bei denen die kleinste Berührung unschöne Fingerabdrücke hinterlässt. Besonders ein Ort hat es uns hier angetan: Dudleya brittonii bei La Misión (siehe erstes Bild im Reisebericht). Hier hängen sie zu Tausenden in den Felswänden oder wachsen in einem völlig verwilderten Hügel zwischen Agaven und Kakteen. In voller Blüte produzieren sie teils bis zu 16 rote Blütenstände mit unzähligen gelben Blüten. Ihre perfekt geformten Rosetten faszinieren uns und wir können uns beim fotografieren kaum zurückhalten, weil einem eine Pflanze schöner als die andere erscheint.



Nur die Mexikaner können unsere Begeisterung nicht so recht verstehen. Wir werden oft gefragt, weshalb wir denn freiwillig zwischen den Dornen herumklettern, wenn die Pflanzen doch keinen medizinischen Nutzen haben. Für uns ist es eben jedes Mal ein neuer Erfolg, wenn wir eine Pflanze gefunden haben, wenn wir eine perfekte Rosette entdecken, eine interessante Hybride oder eine besonders schöne Blüte.



Juli 1999



Julia Etter & Martin Kristen