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Tequila Siete Leguas



Jetzt schreiben die schon wieder über Alkohol, werdet Ihr sagen. Na klar, schliesslich studieren wir ja auch Agaven, und aus denen wird Tequila, Mezcal, Raicilla, und Pulque hergestellt, alles mehr oder weniger alkoholische Getränke. Es ist allerdings nicht so, dass wir nur Tequila & Co. degustieren, wenn wir unterwegs sind, wie einige geneigte Leser nach der Lektüre des letzten Reiseberichtes kommentiert hatten! Wir steigen tatsächlich auch im Feld herum, klettern auf Berge, fotografieren Pflanzen, und ab und zu abends nach einem anstrengenden Tag, da genehmigen wir uns ein Gläschen Tequila so quasi als Belohnung für die harte Tagesarbeit. Oder auch um besser auf einer schrecklichen Matratze in einem Schuppen, auch Hotel genannt, schlafen zu können. Es ist nicht immer "Siete Leguas", denn es wäre schon ein kleines Sakrileg, diesen ausgezeichneten Tequila, einen unserer absoluten Favoriten, aus unseren Plastik Tequila Shotgläschen im Kaktus-Design zu trinken, mit denen wir herumzureisen pflegen.



"Siete Leguas" bedeutet soviel wie "Sieben Meilen", wobei eine Meile früher soviel zählte wie eine Wegstunde, also ungefähr soviel wie ein Mensch in einer Stunde zu Fuss gehen kann. Im englischsprachigen Raum war das gleichbedeutend mit drei Meilen (= 4.8 Kilometer). Die "Siete Leguas" sind also gleichbedeutend mit 21 Meilen oder 33.8 Kilometer. Ein interessantes Detail ist übrigens, dass ein Pferd durchschnittlich "Siete Leguas" pro Tag zurücklegen kann, deshalb liegen z.B. in Jalisco viele Ortschaften ungefähr 21 Meilen voneinander entfernt. Atotonilco el Alto - Arandas = 21.909 Meilen. Atoto - Tototlan = 19.87 Meilen sind nur zwei Beispiele. Der Gründer der Tequila Fabrik, Don Ignacio González Vargas, war ein grosser Verehrer von Pancho Villa, einem mexikanischen Revolutionsanführer, dessen Pferd "Siete Leguas" hiess. Weil er so begeistert von Pancho Villa war, benannte er kurzerhand seinen Tequila nach dessen Pferd. Siete Leguas ist eine der ältesten Tequilafabriken, gegründet in Atotonilco el Alto um 1950 und operiert seither im Familienbetrieb. Siete Leguas mag vielen kein Begriff sein, eher hat man schon von Tequila Patrón gehört. Patrón wurde von Siete Leguas hergestellt, 1989 wurden die Rechte aber an St. Maarten Spirits verkauft, die Marke wuchs und wuchs und irgendwann war man bei Siete Leguas nicht mehr in der Lage, die Nachfrage zu befriedigen und Patrón baute 2002 eine neue Fabrik in Atotonilco el Alto wohin die ganze Produktion verlagert wurde.



Entlang der Einfallstrasse nach Atotonilco el Alto befindet sich der Hauptsitz von Siete Leguas. Es gibt einen kleinen Shop, natürlich einige Büros und der Tequila wird hier in Flaschen abgefüllt, etikettiert und in Kisten verpackt. Die eigentliche Fabrik, oder besser die beiden Fabriken "Centenario" und "La Vencedora" liegen abseits der Hauptstrasse am oberen Dorfende von Atotonilco. Ein Besuch ist von Dienstag bis Freitag nach Rücksprache mit Señorita Berta möglich. Mittlerweile kennen wir Berta und die Crew von Siete Leguas relativ gut - nach den vielen Besuchen mit Freunden und Familie auch kein Wunder. Wenn man nach Jalisco kommt, dann sollte man sich wirklich eine Tequilafabrik anschauen. Wer auf Massentourismus steht, der geht am besten nach Tequila zu Jose Cuervo, oder besteigt den Tequila Express Zug nach Amatitan zu Herradura (siehe unser letzter Reisebericht: direkter Link hier), doch wer wie wir auf Individualtourismus steht, der sollte einen Besuch bei Siete Leguas planen. Um 11 Uhr startet die persönliche Tour, die die Leute von Siete Leguas übrigens auch für nur drei Besucher durchführen. Man trifft sich bei der oberen Fabrik, wo man als erstes in einen grossen, luftigen Raum kommt mit der Tahona in der Mitte. Die Tahona ist so etwas wie eine Stein-Mühle, also der Ort, wo originalerweise die gekochten Agavenherzen zermantscht wurden. Die Tahona besteht aus einem Loch im Boden, in der Mitte steht ein Pfosten, an dem ein Holzbalken festgemacht ist, an dem der Mahlstein befestigt ist. Der Mahlstein an seinem Holzpfosten wird von zwei Maultieren im Kreis herumgezogen. Dazu gehört noch ein Arbeiter, der die zerquetschten Agavenherzen immer wieder mit einer Mistgabel neu aufschüttet, damit sie noch weiter zerquetscht werden können.



Zweimal pro Tag ziehen zwei Maultiere den Mahlstein. Die wohl beliebteste Frage betreffend der Maultiere ist, ob sie denn noch nie Wasser gelassen hätten während ihrer Arbeit. Anscheinend nicht, denn die Tiere sind gut ausgebildet und ihr Meister kennt sie mittlerweile gut und weiss auch, wenn eines mal dringend muss. Ausserdem gibt der Chef-Chemiker zu bedenken, sollten wir uns mal überlegen, was wir denn lieber in unserem Tequila drin hätten: Maultier-Urin oder Traktor-Motorenöl. Ersteres ist natürlich, ausserdem wird der Saft ja noch fermentiert und danach destilliert. Letzteres ist zähflüssig, schwarz und ölig und wird wahrscheinlich auch bei der Destillation nicht wirklich neutralisiert. Eine Führung ist natürlich nicht wirklich komplett, wenn man nicht die Maultiere gesehen hat, doch wenn man unangemeldet kommt oder etwas später eine wirklich wichtige Gruppe, sprich potentielle Käufer von Grossmengen oder Restaurateure, angemeldet ist, dann kann es schon passieren, dass die Maultier-Show eben für den wichtigen Besuch reserviert ist. Während wir den Maultieren bei ihrer Arbeit zusehen, bekommen wir ein kleines Stück der gedämpften Agaven zu probieren. Es ist ganz braun, faserig und schmeckt richtig fruchtig und süss. Uebrigens kann man solche Stücke auch immer wieder an Strassenständen finden, wo sie mit Limesaft, Salz und Chile serviert werden. Auch wenn man die Maultiere verpasst, gibt es natürlich noch viel mehr zu sehen - und zu degustieren! - in der Fabrik. Um die Ecke stehen wir in einem hohen schön gemauerten Gebäude mit Fotos an den Wänden und blitzblank geputzten Edelstahltanks. Hier findet die Fermentation statt und über eine Leiter kann man nach oben steigen und seine Nase in den Tank stecken, wo es schon sehr fruchtig riecht. Die geneigte Leserschaft erinnert sich vielleicht an den vorherigen Reisebericht wo wir über die "natürliche" Fermentierung gesprochen haben. Hier bei Siete Leguas wird uns auch erzählt, dass die Fermentierung auf natürlichem Wege eingeleitet wird, sprich durch Hefepartikel, die sich in der Luft befinden. Hier glaubt man es schon eher, denn die Mengen an Agavensaft, die fermentiert werden, ist sehr gering und die Tanks relativ klein, da könnte das schon funktionieren. Etwas weiter kommen wir zur ersten Degustation. In Tequila Gläschen dürfen wir das Produkt nach der ersten Destillation probieren, ein etwas trübes Wässerchen mit etwas über 70° Alkohol Gehalt. Unsere Führerin Berta empfiehlt, zuerst einen ganz kleinen Schluck zu nehmen und den Mund etwas auszuspülen. Beim zweiten Schluck brennt es dann tatsächlich viel weniger in der Kehle. Hier stehen wir neben schönen Kupferkesseln, aus denen es dampft und raucht. Kupferkessel sind aufwendiger im Unterhalt und auch teurer, aber sie sollen dem Tequila auch eine spezielle Note geben, deshalb werden sie in kleineren, exklusiven Fabriken immer noch gerne benutzt.



Nach dieser ersten Degustation geht es zu Fuss runter zur zweiten Fabrik. Dort werden die Agavenherzen angeliefert und von einer Gruppe kräftiger Männer zerteilt. Selbstverständlich dürfen wir auch mal probieren, wie schwer diese Arbeit ist: die Coa (ein halbrundes scharfes Messer an einer langen Eisenstange) ist ziemlich schwer, dann muss man noch gut treffen, und die Agavenherzen wiegen zwischen 30-50 Kilogramm (60-100 lbs.), das geht ganz schön in die Arme. Durch verschiedene Oeffnungen im Boden werden die zerteilten Agavenherzen in die Oefen geschubst, wo sie anschliessend im Dampf gegart werden. Von dieser Galerie aus hat man einen guten Blick auf diesen Teil der Fabrik. Hier werden die gedämpften Agavenherzen über Rollbänder durch Maschinen gedreht, die sie maschinell zerkleinern und den Saft auspressen. Auch hier befinden sich Fermentierungstanks. Die trockenen Fasern ('bagazo' auf spanisch), die als Abfallprodukt mit ihrem sehr typischen Geruch übrigbleiben, werden übrigens als Dünger und Kompost wieder auf die Felder ausgebracht. Wir gehen weiter und können das Produkt nach der zweiten Destillation degustieren, auch dies immer noch ein kräftiges Feuerwasser. Im Haus befindet sich auch eine Anlage, die destilliertes Wasser produziert, das nachher verwendet wird, um das Feuerwasser zu echtem Tequila Siete Leguas zu verfeinern. Das Produkt der oberen Fabrik, das anscheinend süsser sein soll, und das Produkt dieser unteren Fabrik, das herber und mehr nach Kräutern schmeckt, wird zusammengemischt und schlussendlich zum Tequila Blanco gemacht, den man dann im Laden kaufen kann. In diesem gleichen Gebäude befinden sich auch die Lagerräume mit den vielen Fässern.



Nachdem wir auch hier alles besichtigt haben, steigen wir in den Degustationsraum hinauf, wo auf kleinen Tischchen schon die verschiedenen Gläser in Reih und Glied stehen. Zuerst bekommt man ein Probiererchen vom Blanco, dem Originaltequila, der seiner Herbheit wegen v.a. bei Männern beliebt ist. Danach kommt der Reposado an die Reihe, der bei Siete Leguas durchschnittlich acht Monate in Fässern aus weisser Eiche (Quercus alba) gelagert wird. Als nächstes der Añejo, der mindestens 24 Monate in einem Eichenfass reifte und eine schöne Farbe und ein ganz sanftes Aroma hat. Uebrigens kommen die Eichenfässer aus den USA, wo sie für Whiskey gebraucht wurden. Anscheinend dürfen die Whiskey-Macher ihre Fässer nur einmal brauchen, was den Tequila-Produzenten in Mexico sehr entgegenkommt. Nach dem Añejo kommt die Krönung, der D'Antaño, der für ganze fünf Jahre im Eichenfass lagerte, wunderbare Kirchenfensterchen am Glas produziert und den besten Cognacs oder Armanacs locker den Rang ablaufen kann. Mit kanadischen Freunden verläuft die Tour so gut und als wir bei dieser letzten Degustation ankommen, ist Leigh schon sehr zufrieden mit den Feuerwässerchen, die er im Laufe des Morgens probiert hat, doch als er zum D'Antaño kommt, tut sich für ihn eine ganz neue Welt auf. Berta versteht seinen Enthusiasmus und schenkt ihm noch zwei weitere Gläschen ein, die Leigh zum bekennenden Siete Leguas Fan machen. Auch mit unserem alten Freund Georg, dem pensionierten Radiologen aus Deutschland, haben wir einen sehr erfolgreichen Besuch bei Siete Leguas, wo Berta und Georg beide in gebrochenem Englisch über den fantastischen Tequila von Siete Leguas parlieren und demselben auch gleich kräftig zusprechen. Und natürlich dürfen auch die zwei Besuche mit unseren Freunden Jean-Marc und Lupita aus Guadalajara und dem Ex-Konsul Dieter Gruber aus Basel nicht unerwähnt bleiben, bei denen wir alle kräftig degustierten und philosophierten und wie üblich der Tequila-Tour gleich noch ein gutes Essen folgen liessen, bei dem natürlich weiter Tequila degustiert wurde.



Uebrigens gibt es ein neues Produkt von Siete Leguas, einen "Single Barrel" Tequila, den aber weder der Chemiker noch Berta schon probiert haben. Wie der Name schon sagt kommt der Tequila aus einem einzigen Fass, in dem er zwischen 5-10 Jahren gelagert wird, und wird nicht aus verschiedenen Fässern zusammengemischt. Für einen Añejo oder D'Antaño kann es nämlich sein, dass noch zusätzlich Blanco dazugemischt wird, um die gewünschte Geschmacksnote zu erreichen. Der "Single Barrel" ist für Kunden gedacht, die auf Whiskey stehen, oder die sich gleich ein ganzes Fass reservieren.



Nach der Tour fahren wir an die Hauptstrasse runter, wo Siete Leguas im Gebaüde, wo die Flaschen abgefüllt und eingepackt werden auch einen kleinen Laden hat. Die Preise variieren nicht gross im Vergleich zu den anderen "Licorerias" in Atotonilco, und man täuscht sich, wenn man denkt, dass die Flaschen hier billiger sind, weil man direkt beim Produzent einkauft. Einige Freunde decken sich in einer normalen "Licoreria" ein, andere versuchen ihr Glück beim Produzenten direkt. Doch als dann hier bei Siete Leguas alles zur Bezahlung auf dem Tisch steht, stellt sich heraus, dass der Kreditkartenleser nicht funktioniert, was schon etwas ärgerlich ist. Doch dies ist wirklich der einzige Punkt, bei dem Siete Leguas negativ auffällt, den man aber auch als typisch mexikanisch abtun kann.



Für Fans von Tequila Siete Leguas, die nicht wissen, wo sie ihn z.B. in der Schweiz kaufen können, haben wir gute Nachrichten. In Zürich ist er beim Laden El Maiz hinter dem Hauptbahnhof erhältlich. Und in Embrach gibt es einen Laden und Online Shop, Casa del Tequila, der auch Siete Leguas im Angebot hat. Es gibt auch eine Tequila Hacienda im Grossraum Wiesbaden, in Deutschland, wo man Siete Leguas Produkte erstehen kann.



Nun haben wir aber genug geschrieben, es ist schon später Nachmittag, und es wird langsam Zeit auf der Terrasse einen Tequila zu geniessen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Irgendwo auf der Welt ist es bestimmt schon sechs Uhr abends! Prost! Salud! Oder noch besser: ¡Arriba, abajo, al centro, pa' dentro!



April 2015



Julia Etter & Martin Kristen