travelog 115






Wandern in den weltberühmten Schweizer Alpen



Was wäre ein Besuch in der Schweiz ohne die weltberühmten Schweizer Alpen aus der Nähe zu bestaunen. Die Gelegenheit ergab sich, als ich, Julia, meinen Besuch in der Schweiz für September buchte und Mäge zufälligerweise am ersten Wochenende eine Wanderung mit Freunden auf das Faulhorn geplant hatte. Schnell war ein Zimmer mit drei Betten organisiert, alles andere wurde spontan geregelt. Das Faulhorn liegt im Berner Oberland in der Nähe von Grindelwald (direkter Link hier) und kann nur zu Fuss erreicht werden. Der Name Faulhorn kommt vom Schweizerdeutschen "ful", womit die lockeren Gesteinsschichten aus Mergel und Schiefer gemeint sind. Auf dem Gipfel auf 2681 m.ü.M (8800 ft) befindet sich das älteste Berghotel Europas, das 1830 erbaut wurde und einen fantastischen 360° Panoramablick über die ganzen Berner Alpen, u.a. die Viertausender Eiger, Mönch und Jungfrau, bis zum Badischen Schwarzwald und den Elsässischen Vogesen, und bei optimaler Fernsicht auf sieben Schweizerseen bietet. Solarzellen sorgen für die Beleuchtung. Regen- und Schneewasser wird gesammelt und bei Wasserknappheit im Sommer wird Wasser vom kleinen Gletscher unterhalb des Hotels hochgepumpt. Früher wurde das Hotel per Maultier und Pferd versorgt. Heute erfolgt die Versorgung mit Lebensmitteln und sonstigen Bedarfsartikeln sowie die Entsorgung des Abfalls via Helikopter, wofür in der Hochsaison mindestens vier Flüge pro Woche nötig sind.



Am Freitagmorgen traf ich bei Mäge ein, wo wir erst einmal gemütlich Kaffee tranken, um einige Staus zu vermeiden, von denen sie über ihre Handy App erfahren hatte. Schliesslich fuhren wir auf gut Glück los und landeten prompt in einem neuen Stau, doch Staus sind in diesem kleinen Land mit den vielen Strassen und noch mehr Autos nicht zu vermeiden, wie ich bei meinem Besuch merkte. Das erste Alpen-Feeling bekamen wir am Brünig, wo wir uns etwas die Beine vertraten und die Aussicht bei einem Kaffee auf der Terrasse eines Restaurants genossen. Danach erschienen schon die ersten schneebedeckten Gipfel der Berner Alpen im Blickfeld. In Grindelwald kamen wir in einem Hotel am Bahnhof unter, wo wir uns auch mit Mäge's Freunden trafen. Da es heute ein gemütlicher Tag und eine kleine Einstimmung auf die Wanderung von morgen sein sollte, der Wanderschuhtest sozusagen, setzten wir uns für eine Rösti auf die Terrasse des Restaurants im Hotel. Danach fuhren wir mit einer Bahn bis auf die Kleine Scheidegg, wo wir mit Hunderten von schlitzäugigen Touristen auf die Jungfraujochbahn warteten, die uns eine Station weiter zum Eigergletscher auf 2320 m brachte. Das rund 180 Franken teure Billet auf das Jungfraujoch war uns dann doch etwas zu teuer. Von der Station führte ein angenehmer Wanderweg im Schatten der Eigernordwand bis nach Alpiglen auf 1616 m hinunter. Ich hatte ja auch schon Bilder der Eigernordwand gesehen, doch selber unterhalb dieser beeindruckenden Felswand entlangzuwandern war schon ein spezielles Gefühl. Von einem Ende des Horizontes zum anderen begleitete uns strahlend blauer Himmel. Auch die Alpenflora präsentierte sich immer noch mit vielen bunten Blumen und fette, glückliche, gescheckte Schweizerkühe bimmelten mit ihren Glocken am Wegesrand. Auf der Hälfte des Weges gab es eine Informationstafel mit den Details der Kletterroute für die Eigernordwand, doch wir hielten mit dem Fernglas erfolglos Ausschau nach Kletterern. Beim Landgasthof Alpiglen gönnten wir uns ein erfrischendes Panasch (ein deutsches Radler), eine Mischung aus Bier und Limonade, und ein Stück hausgemachte Zwetschgenwähe. Dann ging es mit der Bahn wieder runter nach Grindelwald. Auf der Terrasse des Hotels nahmen wir den Apero ein. Als es langsam kühler wurde begaben wir uns in den Speisesaal, wo wir fast die einzigen Schweizer Touristen waren. Bei den Japanern war v.a. das Fondue ein Renner, das einige zu unserer Erheiterung zusammen mit Pommes Frites bestellten. Zur Verdauung unternahmen wir noch einen nächtlichen Spaziergang durch Grindelwald, wo die Schmuck- und Uhrengeschäfte auch um 10 Uhr nachts noch geöffnet hatten. Den Japanern wurde dort am Eingang ein Einkaufskörbchen in die Hand gedrückt: Happy Shopping!



Am frühen Morgen versammelten wir uns wieder im Speisesaal zum Frühstück. Die anderen waren alle schon um 6 Uhr in der Früh per Telefon geweckt worden. Es meldete sich zwar niemand am Apparat, doch wir vermuteten schwer, dass die japanische Gruppenleiterin sich ganz einfach in den Zimmernummern vertan hatte. Ein Auto wurde nun in Grindelwald geparkt, mit dem anderen fuhren wir nach Wilderswil, wo wir auf dem Flugfeld parken mussten, da an diesem Wochenende auch der Jungfrau Marathon stattfand. In Wilderswil bestiegen wir die Schynige Platte Zahnradbahn, die die sieben Kilometer bis zur Schynige Platte in elend langen 50 Minuten zurücklegte. Die Zahnradbahn war vollgestopft mit Wandervögeln, die Aussichten gigantisch, die Preise für die Fahrt ebenfalls, und eigentlich hätte man es nach 20 Minuten auch gesehen gehabt. Auf der Schynige Platte trafen wir auf eine Hochzeitsgesellschaft, die im Westernlook gekleidet war. Auch heute spielte das Wetter mit: Strahlend blauer Himmel und ein grandioses Panorama von schneebedeckten Gipfeln. Von der Schynige Platte auf 1970 m wanderten wir erst mit vielen Tagesausflüglern mit Sandalen und wenig Motivation auf einem gut ausgetretenen Weg Richtung Faulhorn. Bald schon gaben die ersten auf und man konnte die Landschaft in Ruhe geniessen. Für mich gab es neben Enzian und Silberdisteln auch sukkulente Pflanzen wie Sempervivum, Sedum und Saxifraga zu fotografieren. Gisela und Markus, Jugendfreunde von Mäge aus Schaffhausen, zogen schnell davon. Auch der zweite Markus, ein passionierter Radfahrer, schlug ein forsches Tempo an. Mäge und ich erfreuten uns an der Natur und waren uns ziemlich sicher, mindestens die Schaffhauser, die auch passionierte Raucher waren, irgendwann einmal einzuholen. Gisela war die erste, allerdings machten ihr eher die Schuhe zu schaffen als die Raucherlunge. Ihr Markus dagegen sass bald hustend und keuchend am Wegesrand und brauchte immer wieder längere Pausen, doch bei aller Anstrengung verlor er nie seinen Humor. Der radfahrende Markus blieb für eine lange Zeit verschwunden, bis wir ihn an einem idealen Verschnaufort endlich wieder antrafen.



Gleich um die Ecke kamen wir an die kleine Berghütte mit Restaurant Männdlenen, wo wir uns eine heisse Suppe mit fettiger Wurst gönnten. Ein junges deutsches Paar mit grossen Rucksäcken auf dem Buckel erkundigte sich beim Wirt nach der Zimmersituation auf dem Faulhorn. Die beiden hatten keine Reservation und dachten allen Ernstes, dass sie an einem wunderschönen Samstagnachmittag spontan aufs Faulhorn steigen könnten und einen Schlafplatz bekämen. Darüber war auch der Männdlenen Wirt erstaunt und so rief er schnell "drüben" auf dem Faulhorn an, wo ihm erwartungsgemäss beschieden wurde, dass es nicht einmal vor dem Kamin Platz für die beiden Deutschen hätte. Der Wirt machte aber dem guten Ruf der Schweizer alle Ehre und nach kurzer Improvisation hatte er eine französische Familie in ein Zimmer einquartiert und die Deutschen hatten ein Bett für die Nacht, obwohl sie hier natürlich auf die weltberühmten Sonnenunter- und -aufgänge verzichten mussten, aber das war alles noch besser als mit den schweren Rucksäcken am späteren Nachmittag noch bis zum First zu wandern. Vom Männdlenen aus konnte man das Faulhorn schon sehen, doch es blieben uns immer noch einige Höhenmeter zu überwinden. Mittlerweile waren wir alle etwas müde, doch die grandiosen Panoramen auf verschneite Gipfel und blaue Bergseen waren jede Anstrengung wert. Für das letzte Stück auf das Faulhorn hinauf gab es zwei Varianten: die Direttissima oder die Haarnadelkurven. Wenn schon, denn schon, dachte ich mir und nahm die direkte Strecke, einen schmalen Pfad, unter die Wanderschuhe. Auf dem Gipfel konnte man sich dann bequem auf Bänken ausruhen, nur wusste ich nicht, in welche Richtung ich schauen sollte. Das 360° Panorama war überwältigend, v.a. an einem Bilderbuchwettertag wie heute!



Schnell hatten wir unsere Zimmer bezogen, denn viel Gepäck hatten wir logischerweise nicht dabei weil man ja alles 700 m den Berg hochschleppen musste. Die Zimmer waren im ursprünglichen Zustand belassen und wir schliefen in den quietschenden Originalbetten aus der Gründerzeit, sogar die Matratzen fühlten sich so durchgelegen an, als ob sie mindestens 100 Jahre alt wären. Auf einem Tisch standen Waschschüsseln und Wasserkrüge mit eiskaltem Wasser, mit dem man sich waschen und Zähne putzen konnte. Aus dem Fenster sah man direkt auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Es gab aber auch Massenlager, wo die meisten Gäste untergebracht waren. Auf der Terrasse konnten wir dick eingemummelt in den letzten wärmenden Strahlen der Sonne noch ein Gläschen Wein trinken und natürlich einmal mehr die spektakuläre Aussicht geniessen. Dann stiegen wir nochmals zum Gipfel gleich oberhalb des Hotels, um den Sonnenuntergang zu bestaunen, für den das Hotel so bekannt ist. Langsam zogen die Schatten auf, der Himmel färbte sich orange und rot, dann violett. Die schneebedeckten Gipfel wurden in ein unwirkliches Licht getaucht bis die Landschaft schliesslich in der Dämmerung versank und nur noch die Lichter der Berghäuser sichtbar waren. Im Restaurant wo es behaglich warm und komplett voll war, hatten wir die Auswahl zwischen zwei verschiedenen Menus. Zu den Aelplermagronen mit Apfelmus gab es sogar einen süffigen Rotwein. Die Crew war ausserordentlich gut organisiert und freundlich und das Essen schmeckte hervorragend. Danach bekamen wir sogar Spielkarten, was das Alphütten-Feeling noch verstärkte.



Der Wecker holte uns am Morgen aus dem Tiefschlaf. Schnell schlüpften wir in die kalten Kleider und stiegen wieder dick eingemummelt auf den Gipfel, um den Sonnenaufgang nicht zu verpassen, der allerdings weniger beeindruckend war als der Sonnenuntergang, oder waren wir nur schon etwas zu verwöhnt von all den traumhaften Blicken? Im Restaurant waren die Tische schon für's Frühstück gedeckt. Es gab dicke Scheiben Bauernbrot mit Honig und Marmelade, heissen Kaffee und Schokolade. Bald zogen die ersten Gruppen und Paare los. Da wir nichts Grosses vorhatten liessen wir alle losziehen, um nachher in aller Ruhe den Berg im Zickzack hinunterzuwandern. Im Blickfeld hatten wir nun den Bachalpsee, in dessen spiegelklarem Wasser sich Eiger, Mönch und Jungfrau spiegelten. Ausserdem konnten wir Murmeltiere und mit dem Fernglas auch Gemsen beobachten. Rund um den Bachalpsee war wieder viel Betrieb. Grosse Gruppen von Japanern fotografierten sich, die gescheckten Kühe und das Panorama. Viele waren mit leichten Sandalen bekleidet. Einige der Frauen trugen breitkrempige Hüte, langärmlige Blusen, Halstücher und sogar Handschuhe, um ja ihren blassen Teint nicht zu verlieren. Bei der Bahnstation First legten wir eine kurze Rast ein, bevor die Männer mit dem First Flieger talwärts sausten und wir Frauen weniger aufregend die Bahn nahmen. In Grindelwald kauften wir noch Alpkäse, danach verabschiedeten wir uns vom Rummel.



Auf dem Rückweg mussten wir wieder etwas im Stau stehen, doch nach einem sagenhaften Wochenende nahm man auch das gerne in Kauf. Zuhause erwartete mich meine Mutter schon mit einer Bratwurst, gerösteten Zwiebeln und Salat. Dazu setzten wir uns gemütlich in den romantischen Garten hinter dem Haus und teilten uns eine Flasche Wein. Ein schöner Abschluss eines gelungenen Wochenendes, bei dem einfach alles stimmte.



September 2012



Julia Etter & Martin Kristen