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Ein Tag im Feld mit Kakteenfreunden aus Monterrey



Nach einer eisig kalten Nacht auf 3400m Höhe und einem anstrengenden Tag bei hochsommerlichen Temperaturen im Tiefland in der Nähe von Saltillo erreichten wir Monterrey, die drittgrösste Stadt Mexikos, am späten Nachmittag. Wir kamen wieder im Hotel/Motel "Marbella Suites" bei Santa Catarina, an einer der grossen Einfahrtsstrassen nach Monterrey, unter. Im Nordosten Mexikos können die sogenannten Auto-Hotels, Absteigen, die man stundenweise für ein Schäferstündchen mit seiner/m Geliebten mieten kann, nur für maximal sechs Stunden benützt werden. Normalerweise sind es zwischen 8 und 12 Stunden. Diese Absteigen liegen praktischerweise immer an den grossen Ausfallstrassen und ersparen einem so die Mühe, sich im Zentrum einer grossen Stadt ein bezahlbares Hotel zu suchen. Generell bezahlt man für Hotels im Nordosten viel mehr als für eine vergleichbare Unterkunft im Zentrum oder Süden der Republik, was ebenfalls für Restaurants und sonstige Notwendigkeiten gilt - allerdings verdienen die normalen Leute nicht mehr als anderswo. Von einer Tankstelle aus hatten wir unseren Freund Melo angerufen, um die weiteren Pläne zu besprechen. Als wir vom Hotel aus wieder anrufen wollten, gab es im Zimmer kein Telefon und das Internet über den Laptop funktionierte auch nicht, doch schliesslich liess uns der Techniker sein Handy benutzen. Melo überzeugte uns nach langem Hin und Her davon, dass wir unbedingt an diesem Abend an seine Grillparty kommen müssten, denn Wein und Delikatessen seien schon gekauft und alles wäre vorbereitet. Es stellte sich heraus, dass die Fiesta allerdings am anderen Ende von Monterrey stattfinden würde, doch Melo anerbot sich freundlicherweise, uns im Hotel abzuholen.



Mit mexikanischer Pünktlichkeit wurden wir um 21 Uhr nachts abgeholt, zu einer Stunde wo wir nach solch einem Tag eigentlich schon bettreif waren. Melo erschien mit seiner ganzen Familie und chauffierte uns nachher mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit und wie auf einer Achterbahn zwischen dem Feierabendverkehr manövrierend nach San Nicolas de los Garza, wo wir zwei Kilometer vor dem Ort der Party an einem anderen Hotel "Marbella Suites" vorbeifuhren, was natürlich wesentlich einfacher gewesen wäre. Die Fiesta fand bei Mike statt, einem weiteren Kakteenfreak der Gegend. Um 22 Uhr nachts erreichten wir eine dieser Siedlungen, in der alle Häuser gleich aussehen und man sich wundert wie die Leute ihr Haus finden, wenn sie nachts etwas angesäuselt zurückkommen. Die Fiesta fand auf der Dachterrasse statt, wo die Temperaturen gerade mal anfingen, erträglich zu werden. Melo stellte sich sofort an den Grill, wo er riesige Stücke Arrachera, T-Bone und Sirloin Steaks und argentinischen Chorizo zur Perfektion grillte. Ausserdem gab es frisches Brot, Zwiebeln und ganzen Chicoree vom Grill. Zusätzlich hatte Melo unseretwegen extra noch französischen Käse besorgt und auch an Getränken fehlte es nicht. Um drei Uhr morgens fuhr uns Melo mit der ganzen Familie wieder zurück zum Hotel, wo wir um vier Uhr erschöpft für ein paar Stunden ins Bett sanken.



Um halb neun Uhr am nächsten Morgens hatten wir uns mit Melo und Mike in einem bekannten Restaurant in Cienega de Flores verabredet. Nach dem Frühstück fuhren wir Richtung Nuevo Laredo und stoppten an der Cuesta Mamulique, wo uns die beiden eine interessante Echeveria zeigen wollten. Wir hatten die gleichen Pflanzen, die einer Echeveria rodolfi ähnlich sehen, schon in der Nähe von Bustamante, Nuevo Leon, gesehen und fotografiert. In derselben Gegend fanden wir etwas später auch noch Hesperaloe campanulata im dichten Gebüsch. Weiter ging es bis nach Sabinas Hidalgo, wo Melo bei seinem Onkel den Schlüssel zum ehemaligen Familien-Rancho abholte. Wir trafen uns wieder in Bustamante, von wo wir nach Ojo de Agua fuhren, einem beliebten Ausflugsziel mit Campingplatz am Fluss, Picknicktischen und Schwimmbad. Hier liessen wir Mike's kleines Auto stehen und zwängten uns zu viert in unseren Dodge, was relativ ungemütlich war. Hinter Ojo de Agua führte eine Schotterstrasse weiter, von der wir allerdings bald auf eine kleine Piste abbogen und danach auch schon am ersten mit einem Schloss verriegelten Tor standen. Die riesige Ranch gehörte ursprünglich Melo's Grossvater, der sie allerdings verkaufte. Der neue Besitzer musste ein grosser Fan von Baumaschinen und Trax sein, denn gemessen an den vielen neuen in die wunderschöne Landschaft geschobenen Pisten verbrachte der Mann seine Wochenenden mit Vorliebe am Steuer einer dieser Maschinen, um eine neue Trassee zu schieben, die nie benutzt würde. Wir kamen durch weitere geschlossene Tore.



Die Pisten wurden immer kleiner und schliesslich fuhren wir auf einer dieser neuen Strässchen abenteuerlich in die Höhe. Die letzten steilen Meter mussten wir zu Fuss erklettern, um schliesslich bei einer kleinen Höhle einen sagenhaften Rundblick zu haben. In der Höhle gab es einige "Pinturas rupestres", Felsmalereien, und ein paar interessante Eidechsen. Unter Büschen und im Schatten von Agaven fotografierten wir die relativ trockenen Rosetten von Echeveria strictiflora. Weiter ging es der niedrigen Hügelkette entlang Richtung Süden, bis wir an einer Stelle parkten, an der die Piste am nächsten an die Felsen herankam. Es war mitten am Nachmittag und die Sonne brannte erbarmungslos auf uns herunter. In den Felswänden gedieh eine sehr schmalblättrige Agave victoriae-reginae, die grosse Form, die aus dem Huasteca Canyon bekannt ist. Dies hier ist wohl der nördlichste bekannte Fundort dieser wunderschönen Agave. Nur ein paar Kilometer südlich von der Höhle mit den Felsmalereien, wo wir Echeveria strictiflora fotografiert hatten, stiessen wir hier wieder auf die interessante Echeveria, die wir am Morgen an der Cuesta Mamulique schon fotografiert hatten. Bei Ojo de Agua legten wir den letzten Halt ein. Hier gab es nochmals die Echeveria sp. 'Mamulique' und ausserdem wunderschöne Astrophytum capricorne, die wir gleichentags schon mehrmals angetroffen hatten, Lenophyllum guttatum, und vieles mehr.



Auf dem Parkplatz verabschiedeten wir uns von Melo und Mike, die nach Monterrey zurückkehrten. Wir suchten uns eine Unterkunft in Bustamante, leider ohne Erfolg, da der Besitzer des im Dorf wohl bekanntesten Hotel/Restaurant "Ancira" gerade eine Quinceañera feierte, den 15. Geburtstag seiner Tochter, und die ganze Verwandtschaft in seinem Hotel untergebracht hatte und alle anderen Gäste in den verbleibenden Hotels untergekommen waren. Wir kamen für einen wie üblich hier im Norden überhöhten Preis in einem schäbigen Hotel in Villaldama unter. Da wir am nächsten Tag sowieso auf der Sierra Lampazos, von der wir schon früher geschrieben hatten (siehe Reisenotiz 81), campieren wollten, war uns eine Nacht in einem stickigen Zimmer mit einer lauten Klimaanlage ziemlich egal. Und nach diesem anstrengenden Tag sanken wir sowieso erschöpft in einen Tiefschlaf.



August 2012



Julia Etter & Martin Kristen