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Echeveria cante wieder besucht



Was gibt es im September in Mexiko zu tun? Natuerlich am 15. September gebuehrend die Unabhaengigkeit feiern. Und dann einige Pflanzen besuchen, die genau zu dieser Jahreszeit in Bluete stehen. Und eine seit mehr als 100 Jahren verschollene Echeveria zu suchen. Und dazwischen die wunderschoene zart gruene Landschaft von Zacatecas bewundern. Also packen wir's an!



Puenktlich zum mexikanischen Nationalfeiertag am 15. September treffen wir bei den Fitz Maurices in San Luis Potosi ein. Schon im Garten empfaengt uns die gruen-weiss-rote Dekoration zum grossen Tag. Fahnen, Sombreros, Girlanden, Leuchterketten, kurz alles was es in den mexikanischen Nationalfarben an den unzaehligen Strassenstaenden, die im September an fast jeder Strassenkreuzung anzutreffen sind, zu kaufen gibt. Und natuerlich ist auch das Innere des Hauses ganz toll fuer den Anlass dekoriert. Wir geniessen eine kleine Party mit "Chiles en Nogada", die zu diesem Anlass nicht fehlen duerfen. Zu Fitz'es Ueberraschung hat Betty eine Flasche Mezcal organisiert, die in London an einem Festival die Goldmedaille gewonnen hat. Zum Spass aller wird uns in zwei verschiedenen Glaeschen je eine Probe dieses Super-Mezcals "La Penca" aus Zacatceas mit zwei Agavenwuermern drin und von Fitz'es "normalem" Mezcal, den er literweise sehr guenstig in Jaral de Berrios kauft, vorgesetzt. Der Jaral de Berrios Mezcal hat einen unverkennbaren Geschmack. Der Zacatecas Mezcal riecht und schmeckt mehr nach gebrannter Agave. Die Runde ist gespalten und beide Mezcales finden ihre Anhaenger.



Von San Luis Potosi fahren wir Richtung Zacatecas und weiter nach Fresnillo, wo wir im Stadtzentrum unterkommen. Fast alle Geschaefte sind geschlossen, doch immerhin finden wir im lokalen Markt ein offenes Lokal, wo wir gerne und gut bedient werden. Am fruehen Abend versammeln sich die Fresnillaner auf dem Hauptplatz vor der Kirche, essen Eis oder knabbern an Maiskolben und plaudern. Wir gehen einer unserer Lieblingsbeschaftigungen nach und beobachten die Leute.



Echeveria cante war bisher nur aus der Sierra Chapultepec noerdlich von Fresnillo bekannt. Wenn man sich aber die Karten etwas genauer anschaut, dann gibt es in der Naehe von Fresnillo die treffend benannte Sierra de Fresnillo, deren hoechste Punkte aehnlich hoch sind wie die der Sierra Chapultepec. Unsere Vermutung ist, dass besagte Echeveria nicht nur auf einem isolierten Berg vorkommt, sondern auch auf etwas weiter entfernten Bergen gefunden werden kann, und genau das wollen wir heute herausfinden. Es ist etwas schwierig, von Fresnillo her wirklich in die Berge hinaufzukommen, denn ein Grossteil der Gegend ist von einer Minengesellschaft eingezaeunt und die Torwaechter lassen sich nicht einmal von unseren offiziellen Papieren erweichen, doch schliesslich finden wir einen Weg, wie wir mit dem Auto etwas hoeher in die Berge hineinkommen. Auch hier wird ueberall gebohrt und es gibt unzaehlige Pisten, an deren Ende immer eine Bohrstation und ein mobiles Klohaeuschen anzutreffen sind. Auf einem ersten Huegel finden wir eine Kolonie klein wachsender Agave parryi und verschiedene Kakteen in den Felsen, die uns von der Sierra Chapultepec her bekannt vorkommen. Wir sind auf etwa der gleichen Hoehe und treffen die gleiche Flora an, da muss doch auch Echeveria cante anzutreffen sein. Wir bewegen uns nun auf einer nicht mehr befahrenen Piste und muessen durch ein extrem steiniges Flussbett hindurch. Doch mit dem Fernglas koennen wir weit oben in den Klippen weisse Rosetten ausmachen. Tatsaechlich, unsere Vermutung war korrekt! Muehsam klettern wir den Berg hinauf und finden oben ein paar Pflanzen, doch die meisten wachsen fast unzugaenglich in den senkrechten Klippen und keine steht in Bluete. Nach einem Picknick im Schatten einer Pinie kommen wir wieder an das steinige Flussbett. Diesmal sind wir nicht so fixiert auf die Durchfahrt und entdecken ploetzlich, dass der ganze Berghang zu unserer Rechten mit Echeveria cante bewachsen ist. Und die meisten erwachsenen Pflanzen stehen dazu auch noch in Bluete, was natuerlich ausgiebig fotografiert wird. Nun fahren wir noch etwas weiter in die Berge hinein. Es ist eine wunderschoene Landschaft mit vielen interessant aussehenden Schluchten und hohen Bergen, doch wir koennen nur noch Sedum glabrum, S. moranense aff., Villadia painteri und Echeveria paniculata entdecken. Fuer heute haben wir unser Ziel erreicht: Wir haben Echeveria cante in der Sierra Fresnillo gefunden und die Pflanzen ausserdem auch noch in Bluete aufgenommen.



Die strapazioese Wanderung auf die Sierra Chapultepec schenken wir uns nach dem gestrigen Erfolg. Dafuer fahren wir nach Mina Mercurio, die schon lange stillgelegt ist, und versuchen, auf der Rueckseite der Sierra Chapultepec etwas in die Hoehe zu kommen. Wir enden vor einem verschlossenen Tor, doch die Felsen sind nicht sehr weit entfernt und so schultern wir unsere Rucksaecke und wandern los. Bald schon finden wir Villadia painteri und Echeveria mucronata und spaeter auch Sedum jaliscanum. Polianthes mexicana bevoelkert die felsigeren Regionen. Und ueberall leuchten die roten Blueten von Dahlia coccinea. In den Felsen gedeiht Agave filifera, doch von Echeveria cante finden wir keine Spur. Leider gibt es keine Ueberquerung der Sierra Chapultepec wie es auf der Strassenkarte eingezeichnet ist, und so muessen wir eben wieder auf die Hauptstrasse zurueck. Am spaeteren Nachmittag treffen wir in Sombrerete ein, einer kleinen Stadt, die fuer ihre Groesse extrem viele Kirchen besitzt. Mitten im Zentrum finden wir ein Restaurant, das gleichzeitig auch ein Hotel ist. Die gemuetlich eingerichteten Zimmer sind alle vom Restaurant her zugaenglich, das um 7 Uhr abends die Tueren schliesst. Auf einem abendlichen Rundgang besichtigen wir natuerlich alle Kirchen, von denen die meisten eine wunderschoene Fassade haben, deren Inneres jedoch eher langweilig ist.



Auf Pisten fahren wir nun suedwaerts. Eigentlich wollen wir nach El Naranjo kommen, einer alten Mine, die laut Karte etwas in der Hoehe liegt. In einem kleinen Dorf wird uns der komplizierte Weg erklaert, doch dafuer muss man auch noch einen Schluessel beim Besitzer holen gehen. Ausserdem fuehrt unsere Piste kurz darauf ebenfalls in die Hoehe und El Naranjo ist auch von Vasco de Quiroga her zugaenglich, und dazu noch ohne Schluessel. Auf Kopfsteinpflaster geht es nun in die Hoehe. Echeveria mucronata blueht am Wegesrand. Auf einer Passhoehe geniessen wir die weite Sicht ueber Eichen- und Pinienwaelder. Nolina XXX und Agave filifera bluehen. Kleine Agave parryi stehen am Abgrund. In den Klippen koennen wir aber leider trotz intensiver Suche keine wirklich interessanten Crassulaceen entdecken. Durch lichten Wald fahren wir suedostwaerts. Auf einer Hochebene stoppen wir fuer einen extrem blauen Klon von Agave parryi. Und entdecken dabei wunderschoene kristalline Steine, von denen wir gleich eine ganze Schachtel sammeln. Dabei kommen auch eine Mammillaria Typ Stylothelae und fette Echinocereus pulchellus zum Vorschein. Die Zeit vergeht viel zu schnell und als wir an die Abzweigung nach El Naranjo kommen, ist es fuer einen Abstecher schon viel zu spaet. Bald geht es wieder den Berg hinab, durch verschiedene kleine Siedlungen bis wir wieder eine Asphaltstrasse erreichen. Die Felder sehen hier wie in einem Grossteil von Zacatecas, und im Norden Mexikos generell, traurig aus. Wegen der Duerre wurde in den meisten Gemeinden der Notstand ausgerufen. Der Mais ist gerade mal 40cm hoch, die Bohnen und Chilipflanzen kaum 20cm. Wir hoeren, dass es gerade einmal wirklich richtig geregnet hat. Und wenn die Felder nicht bewaessert werden, dann wird aus der diesjaehrigen Ernte nichts. Uns kommt die Trockenheit allerdings eher entgegen, denn so muessen wir uns an den Bergen nicht so sehr durch hohes Gras und sonstiges Gruenzeug kaempfen. An der Hauptstrasse machen wir einen kurzen Abstecher zu Graptopetalum saxifragoides var. farinifera, das wir vergebens auf der Ostseite der Sierra Fresnillo gesucht hatten. Viele Pflanzen sind der Kaelteperiode im Februar zum Opfer gefallen und wir finden nur noch wenige Poelsterchen am Fusse der runden Klippen. In einer weiteren Stunde sind wir in Valparaiso, wo wir im Restaurant "Alpes Suizos" echte mexikanische Kueche geniessen. Den Besitzern lassen wir einen Gruss von echten Schweizern ausrichten.



Nun geht es auf Pisten weiter suedwaerts nach Monte Escobedo, wo wir nach der seit mehr als 100 Jahren verschollenen Echeveria tenuis suchen wollen. Doch davon werden wir Euch in einem naechsten Reisebericht erzaehlen.



August-September 2011



Julia Etter & Martin Kristen