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Huasteca Potosina - Mehr von der "Donnernden Herde"



Im Maerz 2009 schrieben wir den Reisebericht der "Donnernden Herde" in der Sierra Huicholes. Zwei Jahre spaeter erinnerten wir uns immer noch gerne an diese erfolgreiche Reise und beschlossen, dass wir sowas eigentlich bald wiederholen sollten. Fitz, mit 87 Jahren der aelteste Teilnehmer der Gruppe, hatte da auch schon ein paar Ideen. Auf seinen diversen Karten und mit Hilfe von Google Earth hatte er an der Westseite der Huasteca Potosina einen kleinen Huegel ausfindig gemacht, der laut geologischen Karten aus vulkanischem Gestein bestand und nicht aus dem ueblichen Kalkgestein der ganzen Gegend. Ausserdem sah der Huegel so unattraktiv aus, dass Fitz meinte, die Tschechen seien sicherlich noch nicht dort gewesen. Wenn naemlich die tschechichen Pflanzenfreaks mal eine Gegend abgeklappert haben, dann haben sie normalerweise alles entdeckt, was dort waechst - und vieles davon auch abtransportiert, um ihre Reise zu finanzieren. Jedenfalls war Fitz guter Hoffnung, dass es auf besagtem Huegel, Cerro El Chacuaco, vieles zu entdecken gaebe. Und so war der Grundplan unserer Reise gelegt.



Mit Jean-Marc Chalet und seiner Partnerin Lupita trafen wir uns Anfang Februar in San Luis Potosi in Fitz'es Haus, um nochmals die Karten zu studieren und die Autos zu beladen. Bei strahlend blauem Himmel fuhren wir los, passierten die Sierra Alvarez und Rio Verde und fuhren weiter Richtung Tamazunchale. Zuerst ging es nach Cardenas, einer kleinen Stadt an der Eisenbahnstrecke San Luis Potosi - Tampico, wo wir uns ein Hotel fuer die ersten paar Tage suchten. Im Zentrum war gerade Markt und fast kein Durchkommen. Die einzigen beiden Hotels sahen nicht sonderlich einladend aus, doch schliesslich half uns ein netter Taxifahrer weiter und schickte uns ans Nordende der kleinen Stadt zu einem grossen Platz und dem Busbahnhof, wo wir um die Ecke im Hotel "San Francisco" unterkamen, wo Lupita die naechsten zwei Tage mit einer Erkaelung im Bett verbrachte. Ein erster Ausflug fuehrte uns ueber Martinez nach La Caņada und auf Hinterstrassen zurueck nach Cardenas. Auf der ersten Passhoehe fanden wir, wie erwartet und typisch fuer die Gegend, Agave asperrima ssp. potosiensis, A. funkiana, Echinocereus pentalophus und Mammillaria magnimamma. Die uralten, knorrigen Eichenbaeume waren dicht behaengt mit verschiedenen Tillandsien. An einem kleinen Bach entdeckten wir dann immerhin noch Echeveria rosea, ein Unkraut unter den Echeverien. Und in einer der kleinen Ortschaften nahmen Martin und Fitz, die vorausfuhren, eine huebsche junge Dame mit, die einen "raite", eine Mitfahrgelegenheit, nach Cardenas suchte. Die beiden hatten sich sicherlich eine nette Konversation mit dem dunkelhaarigen Fraeulein vorgestellt, doch sie war so eingeschuechtert von den beiden Maennern, dass sie den Mund nur knapp aufbrachte, um sich fuer die Mitfahrgelegenheit zu bedanken. (Foto von Mammillaria magnimamma copyright Jean-Marc Chalet)



Der zweite Tag war ganz Fitz's mysterioesem Huegel gewidmet. Unser Fruehstueck genossen wir in einem Lokal an der grossen Strassenkreuzung suedlich von Cardenas. Dann ging es nach Santa Rita und zu einem Standort von Sedum glabrum, wo wir ein paar Fotos machen wollten. Hier bemerkte Jean-Marc, dass er seine Brieftasche mit Ausweisen und Geld auf dem Stuhl im Restaurant vergessen hatte. Er fuhr also zurueck und wir verabredeten, uns irgendwo entlang der Strecke wieder zu treffen. Langsam fuhren wir Richtung San Francisco und erkundeten ein paar Felsen, die nahe der Piste waren. Ausser schoenen Steinen fanden wir aber nichts interessantes. Gemaess unseren Berechnungen war es ungefaehr Zeit, Jean-Marc's Staubwolke am Horizont zu sehen. Doch vergebens warteten wir im Schatten eines Mezquite Baumes auf unseren Freund. Und erzaehlten Geschichten von Jean-Marc's beruehmtem, und manchmal beruechtigtem Organisationstalent, dank dem er seine Reisen bis ins kleinste Detail plant - und von all den vielen Gelegenheiten, bei denen er etwas vergessen hatte, das oft nicht mehr zu finden war, was ihm aber jaehrlich die Gelegenheit gibt, ein neues Stativ zu kaufen. Nach einer Ewigkeit erschien aus einer der Staubwolken dann tatsaechlich Jean-Marc. Im Restaurant war seine Brieftasche in einen Umschlag eingepackt worden auf dem stand, dass er einem "Gringo" ausgeliefert werden muesse. Diesmal hatte er Glueck gehabt und nur 200km extra fahren muessen! Bald sahen wir nun Fitz's kleinen Huegel, der suedlich von Tablas liegt. Dank Google Earth fanden wir auch die unscheinbare Piste, die uns bis an den Huegel und ganz rundherum brachte. Zuerst gab es im Schatten ein kleines improvisiertes Mittagessen aus der Kuehltruhe. Danach bestiegen wir den Huegel von drei verschiedenen Seiten und konnten ausser dem altbekannten Echinocereus pentalophus und Mammillaria magnimamma (leider) keine spektakulaeren Neufunde vermelden. Eigentlich hatte sich Fitz ja eine isolierte Population einer seiner geliebten Stylothelae Mammillarien gewuenscht und die Enttaeuschung war ziemlich gross. Auf einer neuen Piste fuhren wir dann entlang der Eisenbahnschienen durch eine unberuehrte wunderschoene Landschaft nach San Jose de Palmas und zurueck nach Cardenas. In der Naehe des Hotels entdeckten wir dann auch noch ein gemuetliches Restaurant, wo das Bier bezahlbar und das Essen gut war. (Picknick Foto am Cerro Chacuaco copyright Jean-Marc Chalet)



Fruehmorgens sind mexikanische Restaurants, falls es denn welche in einer kleinen Stadt gibt, normalerweise noch geschlossen. Auf dem lokalen Markt findet man aber immer kleine Lokale, wo es heissen Kaffee, frisch gepressten Orangensaft und Eier in allen moeglichen Zubereitungsarten zum Fruehstueck gibt. Unsere Wahl war ein kleines Lokal, wo Quesadillas mit den verschiedensten Fuellungen angeboten wurden. Der Kaese zog lange Faeden und der Chorizo war hoellisch scharf, was uns schon am fruehen Morgen in Schweiss ausbrechen liess. Ausserdem ergab sich die Gelegenheit, ein paar wirklich gute Bilder zivilisierter Menschen zu schiessen, die ihre liebe Muehe hatten, eine Quesadilla anstaendig zu essen.



Ein weiterer Ausflug war dem Versuch gewidmet, von Westen her zur Laguna Grande zu kommen. Die Laguna Grande sieht auf mexikanischen Karten wie ein kleiner See aus, doch auf Google Earth ist nur ein ausgetrocknetes Seebecken zu sehen. Die Karten zeigen auch diverse unscheinbare Pfade auf, die alle zur Laguna Grande fuehren sollen. Natuerlich war unsere Neugierde geweckt. Von Alaquines aus, das wir uns auf dem Rueckweg anschauten, schlaengelte sich eine schlechte Piste in die Hoehe. Wieder trafen wir auf die gleichen Pflanzen wie schon an den vorherigen Tagen, doch immerhin war die Landschaft sehenswerter. In Eichenbaeumen entdeckten wir verschiedene Orchideenarten und natuerlich Tillandsien und epiphytisch wachsende Kakteen. Ein einsamer Reiter witterte eine Gelegenheit, an diesem wunderschoenen Morgen ein ausfuehrliches Gespraech zu fuehren, doch immerhin erfuhren wir, dass man die Laguna Grande von dieser Seite her nur in einem beschwerlichen Pferderitt erreichen konnte. Ueber Ojo de Agua fuhren wir Richtung Nuevo Reforma, wo wir in einen maerchenhaften Wald kamen. Hier musste es ganz einfach etwas interessantes geben ! Echeveria rosea war schnell in den Baeumen ausgemacht, auch Sedum calcicola gedieh auf den Kalkfelsen, doch dann entdeckten wir noch eine weitere Echeveria, naemlich E. schaffneri. Von Nuevo Reforma fuhren wir noch wenige Kilometer auf einer nicht mehr benutzten Piste durch den Maerchenwald, doch neue Pflanzen gab es nicht zu sehen. Die Baeume waren dicht mit Orchideen, Farn, Moos, Tillandsien und Peperomien bewachsen. Auf dem Rueckweg kletterten wir noch zu anderen Felsen, doch auch hier gab es ausser Agave mitis und vielen Muecken keine spektakulaeren Neufunde zu vermelden.



Am naechsten Tag brachen wir nach Tamasopo auf, wo wir in einem kleinen Hotel unterkamen. Graue Wolken hingen tief am Himmel und es nieselte leise vor sich hin. Ideales Wetter, um Pflanzen zu suchen! Diesmal wollten wir versuchen, die Laguna Grande von Osten her anzufahren. Entlang der Piste Richtung San Nicolas de los Montes entdeckten wir zwei verschiedene Cycadaceen, eine davon das weitverbreitete Dioon edule. Bald erreichten wir Santa Rosalia, wo wir uns nach der Laguna Grande erkundigten. Die koennten wir zu Fuss erreichen, sagten uns zwei Frauen, doch zu dieser Jahreszeit bestehe die Lagune nur aus einem kleinen Rinnsal. Die grauen Wolken am Himmel verhiessen nichts Gutes, die Landschaft sah nicht nach interessanten Felswaenden aus, und das kleine Rinnsal war auch kein absolutes Muss. So fuhren wir also weiter nach San Nicolas de los Montes, wo die groessten Erythrina Baeume wuchsen, die wir je gesehen hatten. Sie waren dicht besiedelt mit verschiedenen Orchideen, Rhipaslis baccifera und einem Hylocereus. Am Ende des Dorfes entdeckten wir die Ruinen einer uralten Missionskirche. In den poroesen Steinen wuchsen Farne und Moos und Tillandsien. Wir suchten nach einem gedeckten Platz fuer ein improvisiertes Mittagessen, denn mittlerweile nieselte es konstant und die Temperatur war auch heruntergekommen. Schliesslich fanden wir eine Bank unter einem Vordach und jeder stellte sich seine Broetchen selber aus der Kuehltruhe zusammen. Eine Mutter mit ihren beiden Kindern kam vorbei und sie probierten von unserem Kaese. Fuenf Minuten spaeter kehrten die Geschwister zurueck und brachten uns hausgemachte Gorditas, dicke Tortillas, die wir mit schwarzem Bohnenpuree und scharfem Chorizo fuellten. Als Dank schenkten wir den beiden Kindern Vanillepudding, den wir am Vorabend im Restaurant in Cardenas als Dessert auf Kosten des Hauses bekommen hatten. Natuerlich dauerte es keine weiteren fuenf Minuten bis die Geschwister mit weiteren heissen Tortillas auftauchten. Mexiko! Nachdem wir uns alle die Haende und Fuesse abgefroren hatten, machten wir uns auf den Rueckweg.



Am naechsten Morgen empfingen uns tiefhaengende, schwarze Wolken und es regnete ohne Unterbruch. Die Temperatur war auf 3 Grad Celsius heruntergefallen. Fitz war noch immer optimistisch, dass wir den Trip weiterfuehren konnten, doch Jean-Marc und wir hatten die Koffer schon gepackt und waren entschlossen, nach San Luis Potosi zurueckzufahren und auf bessere Zeiten zu warten. Zum Fruehstueck fuhren wir ins Zentrum von Tamasopo und gingen auf den Markt, wo wir uns das Angebot ansahen. Die dampfenden Schuesseln erwaermten die kleinen Lokale und wir setzten uns bei einer dicken Koechin nieder, die uns auch gleich heissen Kaffee servierte. Gut gestaerkt und wieder zurueck im Regen war nun auch Fitz ueberzeugt davon, dass es keinen Sinn machte, bei diesem Wetter nach Pflanzen zu suchen. Ausserdem hatten wir am Fernsehen gesehen, dass es sich um ein ausgedehntes Tief handelte, das von weiteren Tiefs gefolgt wurde.



In San Luis Potosi erholten wir uns etwas von den letzten Tagen. Am Abend sassen wir am warmen Kaminfeuer und schluerften lokal produzierten Mezcal. Am Fernsehen konnten wir sehen, dass ein Tief vom naechsten gefolgt wurde und so sagten wir die Weiterfuehrung der Reise endgueltig ab. Wir hoffen, Euch in zwei Jahren wieder von einer etwas erfolgreicheren Reise der "Donnernden Herde" zu berichten!



April-Mai 2011



Julia Etter & Martin Kristen